Donnerstag, 9. August 2018

König Ludwig II. Tod - ein vertuschter Kriminalfall? - 39. Teil

Version 2

Dr. Gudden sitzt nach dem Mittagessen mit Dr. Müller, Professor Grashey und Baron Washington plaudernd zusammen. Da kommt Stabskontrolleur Zanders ins Zimmer und erklärt sichtlich bedrückt: "Ich bin zur Audienz beim König befohlen. Es ist mir schrecklich zumute. Ich weiß nicht, ob ich hingehen soll."
Er vermutet, die Herren werden ihm abraten, aber Gudden sagt: "Gehen Sie nur. Es ist nicht so schlimm."
Gudden bittet Zanders jedoch um sein Ehrenwort, mit dem König keinesfalls über eventuelle Fluchtpläne zu reden. Zanders verspricht dies und begibt sich zu Ludwig. Die Gesellschaft hebt die Tafel auf und geht auseinander. Man will sich zum Kaffee wieder im Kavaliershaus treffen.

Diese Version stammt von Dr. Müller, der ebenfalls zum Team der behandelnden Ärzte gehörte. Es ist bemerkenswert, dass Dr. Müller als einziger Arzt nach der Unglücksnacht keinen einträglichen Posten erhielt und sich mit einer Praxis selbständig machte. 
Es ist auffällig, dass Zanders angeblich von alleine kommt. Der König war in seinen zwei Zimmern interniert und konnte gar nicht mit so einfach mit Zanders sprechen. Die Wünsche und Bitten des Königs wurden von den Pflegern, in dem Fall Mauder an den leitenden Arzt übermittelt, bzw. wenn der König mit dem leitenden Arzt, hier Gudden, sprechen wollte, ging der Nachrichtenweg über Mauder. 
Undenkbar, dass Zanders, der jahrelang in den Diensten des Königs stand und zweifellos die Launen seines Herrn kannte, sich so ängstlich geäußert haben soll. 


Version 3

Nach dem Essen lässt der König Dr. Gudden zu sich rufen und bittet ihn, mit Stabskontrolleur Zanders sprechen zu dürfen.
Gudden lässt Zanders sofort kommen und teilt ihm mit:"„Herr Stabskontrolleur, der König bittet mich in einer Weise, Sie zu ihm einzulassen, dass ich außerstande bin, es ihm noch länger abzuschlagen. Gehen Sie auf eine halbe Stunde zu ihm hinein, aber geben Sie mir vorher Ihr Ehrenwort, dass Sie nicht etwa von Fluchtplänen sprechen oder sonst ihm Hoffnung auf Befreiung erwecken".

Gegen 14.30 Uhr meldet Diener Mauder Zanders beim König an, nach einigen Minuten darf er eintreten. 
Als Ludwig ihn sieht, springt er auf, seine dunklen Augen leuchten vor Tatkraft, sein Schritt ist energisch. Er kommt auf ihn zu, mit blitzenden Augen, lebhaft wie in seinen besten Tagen – ein ganz anderer als 48 Stunden zuvor.
Ludwig zeigt Zanders die Vorrichtungen in seinen beiden Zimmern, die verschließbaren Fensterriegel, die Gucklöcher in den Türen, alles, was ihm zeigt, dass man ihn für tobsüchtig hielt:
"Diese Vorkehrungen sind doch ganz sinnlos, glaubt man denn, dass ich mich umbringen will? Das ist doch lächerlich. Ich weiß gar nicht, warum ich mich töten soll."
Nun erzählt er Zanders die Erlebnisse der letzten Tage und fragt ihn:
"Glauben Sie, dass man mich über ein Jahr noch ebenso gefangen halten wird wie heute?"
Zanders versucht ihn zu beruhigen:
"Vielleicht bedarf es viel geringerer Zeit, um Majestät von dem Nervenleiden herzustellen. Dann wäre kein Grund mehr vorhanden, Majestät in ärztlicher Behandlung zu behalten."
Ludwig überzeugt das nicht:
"Glauben Sie das wirklich? Aber der Appetit kommt beim Essen. Mein Onkel Luitpold wird sich an das Regieren gewöhnen und soviel Gefallen daran finden, dass er mich nie wieder herauslässt."
Zanders antwortet darauf nicht und der König wechselt das Thema:
"Wieviele Gendarmen sind wohl im Park, um mich zu bewachen?"
Zanders: "Sechs bis acht, Majestät."
Ludwig: "Würden sie gegebenen Falles auf mich schießen?"
Zanders: "Wie können Majestät das denken?"
Ludwig: "Haben sie scharf geladen?"
Zanders. "Sie haben gar nicht geladen, Majestät."
Ludwig: "Meine Gefangenschaft muß für immer sein, weil die, die mich jetzt gefangen halten, ja meine Rache fürchten müssen. Man wird mich deshalb auch töten."
Zanders: "Aber Majestät, Prinz Luitpold ist doch ein ehrenhafter Mann."
Ludwig: "Ja, das sieht man an dem, was geschehen ist. Und selbst, wenn er es nicht tut, werden es seine Nachfolger tun."

Der König zieht Zanders in eine Fensternische, als wollte er das Blickfeld seiner Beobachter an den Türen meiden. Zanders bemerkt, dass der König ihm etwas besonderes mitteilen will und erinnert sich an das Ehrenwort, das er Gudden gegeben hat:
"Ich bitte Majestät, mich gnädigst entlassen zu wollen."
Doch Ludwig möchte trotzdem mit ihm sprechen.
Zanders flehend:
"Bitte Majestät, wollen mich gnädigst entlassen."
Ludwigs Blick nimmt plötzlich jenen finsteren Ausdruck an, den er immer hat, wenn sein Misstrauen gegen jemanden erwacht. Er sagt nichts mehr, sondern gibt Zanders das Zeichen der Entlassung: "Danke, Zanders."
Zanders Besuch hat etwa 35 Minuten gedauert und der König geht anschließend mit festen Schritten im Zimmer auf und ab.


Bei dieser Version spricht vieles dafür, dass sie wahr ist.

Allein das Erstaunen von Zanders, dass er den König ganz anders vorfindet: einen wachen, energischen Mann, der sich seine entwürdigenden Situation ganz bewusst ist.

Zuerst kommt eine Art "Spiel", bevor die Fragen kommen, deren Antworten dem König wirklich wichtig sind. Er weiß nun, dass zwar Gendarmen im Park sind, aber es sind im höchsten Fall acht Mann. Und diese acht Mann sind nicht auf einer Stelle, sondern sie patroullieren den langgestreckten Park, der dicht bewachsen ist, keine geraden Pfade hat und überdies die Gefahr besteht, dass Einheimische in den Park eindringen, um den König zu befreien. Sie würden auch nicht auf ihn schießen, unvorstellbar, was da passieren könnte, und sie haben nicht geladen, wenigstens glaubt Zanders das.

Dem König ist auch klar, dass er entweder auf unbestimmte Dauer interniert sein wird, bzw. beseitigt werden soll. Denn auch er hat Freunde im weitverzweigten Königshaus, er könnte auf ganz legale Weise Hilfe bekommen, indem Anwälte, welche die Freund einschalten, gerichtlich Zutritt zum König erzwingen, um ihn anwaltlich zu vertreten, und andere Gutachter einschalten. Da es sich um einen Staatsstreich handelt, stehen die Chancen bestens, dass der König sofort ein freier Mann ist.
Was dann folgen würde, ist ebenso klar: eine Anklage wegen Hochverrats, darauf stand seinerzeit die Todesstrafe, ohne Ansehen der Person.

Dass für diesen Abend etwas geplant ist, geht schon daraus hervor, dass Richard Hornig mit seinem Bruder und anderen Freunden in Ufernähe kreuzt. Der König, dem man ein Fernglas gestattete, konnte sie beobachten und sehen: Hilfe stand bereit. 
Zander sagt zwar, dass er sich an sein Ehrenwort erinnerte und sich in keine Fensternische ziehen lassen wollte, aber wer weiß, was wirklich gesprochen wurde, als der König die ganzen "Sicherheitsvorkehrungen" zeigte? 
Der König machte zwar bei der Verabschiedung von Zanders ein finsteres Gesicht, aber man sollte nicht vergessen, dass er ein Meister der Täuschung sein konnte, wenn er wollte. Sein fester Schritt, mit dem anschließend seine "Wanderung" durch das Zimmer aufnahm, zeigt, das er entschlossen war, zu fliehen, egal, ob Zanders jetzt mithalf, indem er ein Codewort mitteilte, oder nicht.

Die ganze Erzählung von Zanders zeigt, auch, dass der König seinen Schock über die Gefangennahme überwunden hatte und ganz klar erkannte, was da gespielt wurde. Der Verdacht der geplanten Tötung ist nicht von der Hand zu weisen, da der König in einem ständig schwelenden Streit mit dem luitpoldschen Zweig lag und offensichtlich die Gefahr der Flucht des Königs, bzw. seiner Befreiung bestand. Außerdem gab es für den König noch den Weg, über Anwälte und Gutachter seine Freiheit zu erlangen und die Täter zu bestrafen. 
Außerdem: warum wird immer nur der Selbstmord des Königs in Betracht gezogen? Weil er vor seiner Gefangennahme solche Gedanken äußerte? Als er dann in Berg ernüchtert war, wollte er etwas rein menschliches: Rache.

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