Dann ging der König ins Wohnzimmer, um zu frühstücken. Zusätzlich zum normalen Frühstück, also Kaffee, Marmelade, Butter, Hörnchen hat er sich zwei Eier bestellt. Während Pfleger Mauder den Tisch deckt, äußert der König Mauder gegenüber, dessen ruhige Art ihm gefällt, Mauder möge doch immer kommen. Dann frägt er Mauder nach der Konfession von Schneller. Mauder geht aus dem Zimmer und fragt den Kollegen nach seiner Konfession. Mauder geht zum König zurück und gibt ihm die Auskunft.
Der König hat sich unterdessen an den Tisch gesetzt und frühstückt. Dabei zeigt er Appetit und läßt sich mehrfach Kaffee nachschenken. Er zeigt keinerlei Auffälligkeiten beim essen, Kammerlakai Mayr hatte darüber berichtet, etwa, dass er seine Kleidung beschmieren und bei Tisch kleckern würde, aber nicht davon findet sich in den Aufzeichungen des Pflegers Mauder, der seine Beobachtungen niederschrieb.
Der König ißt nicht schweigend, sondern unterhält sich mit Mauder. Er befragt ihn zuerst ausführlich über seinen kranken Bruder Otto, dann erkundigt er sich bis in die kleinste Einzelheit über die familiären Verhältnisse von Mauder. Mauder macht einen gebildeten Eindruck auf den König, er äußert die Vermutung, dass Mauder auf der Universität gewesen sein muß. Mauder hat in der Tat eine höhere Ausbildung genossen, denn bevor er sich etwa 1875 zum Pfleger umschulen ließ, war er Lehrer. Seit 1877 war er der oberste Pfleger des Prinzen Otto in Fürstenried.
Dann reicht der König Mauder seine Uhr zum Aufziehen, was dieser Schneller besorgen läßt. Gegen 10 Uhr hat der König sein Frühstück beendet und befiehlt Mauder, Dr. Gudden zu holen.
Der König bittet Gudden, die Messe in Berg besuchen zu dürfen, denn es war einer der höchsten christlichen Feiertage. Das wurde abschlägig beschieden.
Auch die Bitte des Königs, einen Priester kommen zu lassen, wird abgelehnt.
Es folgt eine längere Unterredung zwischen Gudden und dem König, von der abgesehen von den Bitten des Königs und den Verlauf des nachfolgenden Spaziergangs, nichts bekannt ist. Als Gudden um 10.45 Uhr das Zimmer des Königs verläßt, sagt er: "Majestät und ich gehen aus. Der Pfleger Hack soll uns begleiten."
Gudden gibt Hack Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe, vor allem, dass er ihm und dem König in gehörigem Abstand folgen solle. Dann geht er, um sich für den Spaziergang anzukleiden. Auch der König bereitet sich auf den Spaziergang vor, läßt sich von Mauder Überzieher, Hut und Schirm bringen. Dann beginnt der gemeinsame Spaziergang im Park.
* Oberpfleger Mauder hat offensichtlich den Auftrag, den König unauffällig beim essen zu beobachten, jedenfalls liegen von Mauder detaillierte Aufzeichungnen vor. Es sollten wohl die Aussagen des Kammerlakaien Mayr überprüft werden, die selbst den Gutachtern als nicht wahrheitsgemäß und übertrieben erschienen. Ergebnis: der König benahm sich bei Tisch völlig korrekt, wobei er, lt. Aufzeichungen Mauders, wohl eher weniger aß, dafür aber lieber Kaffee trank.
* Der gewünschte Kirchgang in Berg, nicht in Aufkirchen, wie immer berichtet, wurde nicht erlaubt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Verantwortlichen hatten Angst, dass der König von der Bevölkerung geschützt und nach München entkommen konnte. Dort wären sie dann zur Rechenschaft für ihren Staatsstreich gezogen worden.
* Natürlich durfte der König auch von einem Priester nicht besucht werden, denn auch der hätte berichten können, dass der König ein völlig normaler Mensch war. Das hätte für zusätzliche Unruhe gesorgt, die Bewohner von Berg wurden nur durch anwesendes Militär und dementsprechende Maßnahmen ruhiggestellt.
Außerdem vermute ich, dass der König, trotz seiner "Krankheit", als Sünder und evtl. sogar als Verdammter galt, da er "widernatürliche Liebe" empfand. So einem ließ man, trotz aller Seelennot und -pein, zunächst keinerlei priesterlichen Beistand zukommen, es mutet an wie eine weitere "disziplinarische Maßnahme", wie etwa das kalte Schlafzimmer und die kalte Dusche, zur körperlichen Mißhandlung kam die seelische Mißhandlung.
* Der Kranke sollte aber auch eine Belohnung für sein tadelloses Verhalten bekommen: einen Spaziergang im Park des Schlosses, in Begleitung von Dr. Gudden persönlich, nicht etwa eines stellvertretenden Arztes. Noch mehr: der Pfleger wahrt einen großen Abstand, der sich im Laufe des Spaziergang sogar noch vergrößert!
* Der König hat bei diesem Spaziergang, er kennt den Park wie seine Westentaschen, dort ist er zu Hause, da kennt er sich aus, Gelegenheit, verschiedene Fluchtpunkte auszumachen. Ich frage mich, warum der Arzt nicht daran gedacht hat, wie mir vieles an Dr. Guddens Verhalten merkwürdig erscheint. Über die Erstellung des Gutachtens, unter Auslassung aller Gesetze und Richtlinien, hatte ich schon berichtet. Dazu kommt, dass er sich auf Schloß Neuschwanstein die Rolle eines Beamten oder Mitglied des Hauses Wittelsbach anmaßt. Dann die unbeaufsichtigte Fahrt in der Kutsche nach Schloß Berg. Selbst wenn es Fußfesseln in der Kutsche gab, so hatte der König die Arme frei und hätte ohne weiteres eine Scheibe einschlagen können. Sich dann die Pulsadern zu öffen, wäre eine Angelegenheit von Sekunden gewesen und der König wäre unrettbar verblutet. Schon allein dieser Umstand regt Dr. Müller, der ehrlich zugibt, seinen Chef nicht wiederzuerkennen, auf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen