Donnerstag, 9. August 2018

König Ludwig II. Tod - ein vertuschter Kriminalfall? - 37. Teil

Nachdem ich schon aufgeführt habe, wie die Kollegen auf das Vorhaben ihres Chefs, Dr. Gudden, reagiert haben und auch ich das Verhalten hinterfragt habe, weise ich auf ein außerordentlich interessantes Dokument hin, das etwa im Jahr 2002 wieder aufgetaucht ist, das "Protocoll Verlassenschaft des K. Obermedizinalraths Dr. Gudden".

Das Protokoll wurde am 18. Juni 1886 vom Königl. Amtsgericht Starnberg verfaßt, unterzeichnet wurde es vom Oberpfleger der Kreisirrenanstalt München, Michael Barth.
Barth hat eine Vollmacht bei sich, die ihn ermächtigt, nicht nur die Barschaft sondern auch die Effecten Guddens in Empfang zu nehmen.
Gleich zu Anfang wird festgestellt, dass die Brieftasche Guddens fehlt, Guddens Uhr wird von der Polizei eingezogen, dann verliert sich ihre Spur.
Penibel wird aufgelistet, was dem Oberpfleger ausgehändigt wird:

- eine goldene Uhrkette
- ein seidener Regenschirm
- ein Zwicker
- ein Federmesser nebst Permutttasche
- ein kleiner Schlüssel nebst Uhrenschlüssel
- eine Geldbörse mit 180 Mark in Gold und 20 Mark 18 Pfennige

Zur Erinnerung: der Blick auf die Taschenuhren der Herren zeigt, dass der König zuerst ins Wasser gelangt ist, 72 Minuten später Gudden. Diese Unlogik, man verbreitet doch, dass der König Gudden im Wasser getötet hat und anschließend Selbstmord beging, fällt schon damals schnell auf. Dr. Müller beeilt sich zu versichern, dass Gudden nicht nur seine Uhr sehr selten aufzog, sondern auch keinen Uhrschlüssel in seinem Besitz hatte.

* Wie erklärt es sich dann, dass im Rock des Toten "ein kleiner Schlüssel nebst Uhrschlüssel" gefunden wurde und im Protokoll aufgeführt wird?

* Es ist unsinnig anzunehmen, dass ein im Termindruck stehender Mensch wie Gudden, eine Uhr benützte, die im Grund nicht funktionsfähig war? Außerdem wollte er am Abend des 13. Juni um 20.00 Uhr bei einer Feier in der Villa Poschinger sein.

Erstaunlich, dass die Brieftasche Guddens von Anfang an fehlt. Sie war damals, wie schon der Name sagt, eine Tasche für Briefe und Dokumente, nicht wie heute für Geld. Dass es mit der Brieftasche eine besondere Bewandtnis haben muß, zeigt sich schon darin, dass die Geldbörse, mitsamt Inhalt, nicht angetastet wurde.

Kommen wir nun zum Inhalt der Geldbörse, insgesamt 200,18 Mark, davon 180 Mark in Gold, also ein kleines Vermögen.
Zum Vergleich: der Starnberger Gerichtsarzt mußte für den Betrag ein halbes, eine Handarbeitslehrerin zwei und ein Durchschnittsarbeiter vier Jahre arbeiten.
Warum trägt Gudden im abgeschiedenen Berg soviel Geld bei sich? Er hat nicht die geringste Möglichkeit, auch nur kleinsten Betrag davon auszugeben. Küche und Keller liefern umsonst, die Kutsche, die er für seine Fahrten genutzt hat, stellte die Regierung.

Es kommt aber noch besser!
Die Goldmark, die im Jahr 1886 in Zehnmarkmünzen (Kronen) sowie Zwanzigmarkstücken (Doppelkronen) im Umlauf waren, sind seinerzeit kein übliches Zahlungsmittel. Sie sind eher ein Repräsentationsstück, eine Ehrengabe, welche die Münchner Residenz ausgibt. Es war zwar möglich, sie in den Bankhäusern günstig umzutauschen, das geschah aber sehr selten, sie waren ja eine Ehrengabe.

Beispielsweise erhält der Fischer Jakob Kramer, der beim Transport der Leichen hilft, ein goldenes Zwanzigmarkstück und zwar vom Fischer Lidl. Er sagt, das sei für die Ruderdienste vom königlichen Hof und sonst dürfte er nichts sagen, er müsse den Mund halten.
Dieser Satz ist verräterisch. Die Hilfe bei der Bergung des Königs ist doch eigentlich Ehrenpflicht und wenn nicht, dann sind 20 Goldmark für etwa zwei Stunden Ruderdienst entschieden zuviel. Hatte Kramer etwas gesehen, worüber er ausdrücklich schweigen mußte? Er betonte es ausdrücklich:"I derf nix sogn".

Wenn man nun hinterfragt, warum Dr. Gudden an diesem Abend bei seinem Spaziergang, bei dem er mit dem König allein sein will, 180 Goldmark bei sich trägt, dann liegt der Verdacht auf Schweigegeld sehr nahe. 
Wo und wann er es erhalten hat, darüber kann nur gemutmaßt werden, doch zusammen mit der verschwunden Brieftasche ist das ein wichtiger Anhaltspunkt, der ein anderes Licht auf die Geschehnisse wirft.
Gudden, ohnehin schon eine zwielichtige Gestalt, ist zumindest Mitwisser und hätte wissen müssen worauf er sich eingelassen hat. Doch sein schrankenloser Ehrgeiz, sein Streben nach gesellschaftlichen Ruhm, gewinnen die Oberhand und blenden ihn.....

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