Donnerstag, 9. August 2018

König Ludwig II. Tod - ein vertuschter Kriminalfall? - 38. Teil

Mittlerweile ist es 13.00 Uhr und man erzählt sich, die Uhr der St. Cajetans – Hofkirche hätte anstatt einmal dreizehnmal geschlagen. Ein unheilvolles, böses Vorzeichen!

Am Schloß erscheinen einige Reporter, welche die üblichen Fragen nach dem Befinden des Königs stellen. Sie werden von Bezirksamtmann v. Wobel abgefertigt.
Zwischenzeitlich telegrafiert Stabskontrolleur Zanders einen Kurzbericht an den nach München abgereisten Kurator Graf v. Holnstein: "Es herrscht Ruhe und Ordnung. Von 11 bis 1 Uhr Mittag Spaziergang im Park mit Obermedizinalrat Gudden. Gehorsamst Zanders."

Eine kurze Erläuterung: ein Stabskontrolleur ist nichts anderes als der Oberstküchenmeister. Er leitet die Hofküche, koordiniert das Personal, verwaltet das Geld und rechnet ab. 

Stabskontrolleur Friedrich Zanders steht seit vielen Jahren als Oberstküchemeister in den Diensten des Königs und hat ihn auch auf seiner letzten Reise in die Schweiz, die der König zusammen mit dem Schauspieler Kainz unternahm, begleitet. Er gehört zum engsten Gefolge des Königs, genießt sein Vertrauen und wohl auch seine Freundschaft.

Der König ruft nun also Zanders zu sich und es gibt über den Ablauf gleich drei Versionen.
Die erste erscheint in der "Neue freie Volkszeitung", die zweite stammt von Dr. Müller und die dritte ist von Zanders selbst überliefert und somit diejenige, die der Wahrheit am ehesten entsprechen dürfte. Doch man mag selbst urteilen….

Erste Version

Der König verlangt nach seinem Diener Mayr. Mauder sagt ich, dass dieser nach München abgereist sei. Darauf bittet der König: "Dann schicken Sie doch Zanders zu mir, ich habe ihn heute schon gesehen!"
Mauder sucht Gudden auf und teilt ihm den Wunsch des Königs mit. Doch Gudden meint: "Das geht nicht, das regt den König auf. Zanders ist dem König ein ergebener Beamter – wer weiß – sagen sie, er sei eben nach München – oder nein, sagen Sie lieber, Zanders sei heute infolge verschiedener Kommissionen nicht abkömmlich, werde sich aber bei allernächster Gelegenheit Seiner Majestät vorstellen. Ich werde inzwischen Gelegenheit finden, mich mit dem König in dieser Sache zu besprechen."
Mauder bringt dem König diesen Bescheid. Dieser hört ihm zwar gelassen zu, sagt dann aber leicht verärgert: "Sagen Sie Dr. Gudden, es sei mein intensiver Wunsch, Zanders zu sprechen, ich habe ihm - , doch das geht Sie nichts an, gehen Sie und melden Sie ihm die Sache nochmals!"
Mauder folgt dem befehl. Gudden reagiert ärgerlich, lässt dann aber Zanders kommen. Als der erscheint, sagt Gudden freundlich:
"Lieber Herr Stabskontrolleur, denken Sie sich, Seine Majestät besteht darauf, Sie sehen zu wollen. Er hat Sie heute vom Fenster aus gesehen und wünscht Ihren Besuch. Ich kann und will mich nicht Allerhöchstdessen Wunsch, oder sagen wir, offen gesprochen, dessen Laune, widersetzen, - meine Pflicht als Arzt verbietet es zwar, indes heute ist Pfingstsonntag. Gehen Sie hinüber Herr Stabskontrolleur, doch ich muß Sie dringend bitten, vermeiden Sie jedes Gespräch, das auf etwaige Pläne des Königs wegen Ortsveränderung oder Reisen abzielt, ignorieren Sie jede darauf abzielende Bemerkung über derartige Wünsche oder ähnliche; bei seiner Majestät darf noch keinerlei Hoffnung erweckt werden auf selbständige Verfügungen. Sie verstehen mich, und ich muß Sie auch auf Ehrenwort verpflichten, meiner Anordnung nachzukommen und die Unterredung baldmöglichst zu beenden; nur dann kann ich Sie einlassen, - bedenken Sie lieber Herr Stabskontrolleur, welche Verantwortung ich hier übernommen habe."
Zanders gibt Gudden sein Ehrenwort und begibt sich zum König.

Version eins liest sich zunächst so, als wäre Gudden nicht nur vorsichtig, sondern auch fürsorglich. So weit, so gut.
Als nächstes taucht die Frage auf, woher die Zeitung die Informationen für einen derart detaillierten Bericht bekommen hat. Von den anderen Ärzten, von Mauder, von Zanders selbst? Von allen zusammen? Es lässt sich leider nicht mehr ermitteln.
Gehen wir ins Detail: da ist zunächst der Wunsch des Königs nach seinem vertrauten Kammerdiener Mayr. Das ist genau jener Mayr, der zuerst für das zu erstellende Gutachten über König nichts aussagte, dafür aber später, als sich die Ärztekommission vor dem Landtag rechtfertigen musste, dem sog. "Totengericht", umso mehr erzählte. Er sei misshandelt worden, musste ständig eine Maske tragen, etc., ect.. 
Mayr ist aber bereits um 10.35 Uhr von Hofrat Klug nach München zurückbeordert worden, mit den Vermerken, "er solle das Nöthige mitbringen", sowie dem dreimal rot unterstrichenen Vermerk "dringend". Mayr muß das Telegramm sofort bestätigen. Das Telegramm muß von Bedeutung gewesen sein und es ist bis heute nicht bekannt, was mit dem "Nöthigen" gemeint war.

Dann will er mit Zanders, einem vertrauten und loyalen Beamten, sprechen. Gudden will dies aber nicht und zuerst mit dem König darüber sprechen.
Der König nimmt die abschlägige Antwort nicht hin und schickt Mauder nochmals zu Gudden, da es ein intensiver Wunsch sei, mit Zanders zu sprechen und er ihm…ja was wohl? Der König bricht den Satz an dieser Stelle ab und setzt ihn anders fort. Was wollte der König von Zanders, einem jahrelangen Vertrauten? Der König hatte ein Fernglas zur Verfügung gestellt bekommen, damit er den See beobachten konnte und auf dem See wurden Kähne gerudert, in denen u.a. Richard Hornig und sein Bruder saßen. Die ganze "Ruderpartie" fand bei windigem, regnerischen Wetter statt und dauerte, mit einer Unterbrechung, es wurde zu Mittag gegessen, den ganzen Tag an.
Wenn man dann liest, was Gudden angeblich zu Zanders gesagt hat, dann fragt man sich unwillkürlich, ob nicht eine kurze Anordnung ebenso genügt hätte. Aber dieses Rechtfertigen, dieses Wohlwollen, dieser aufgeblasene Hinweis auf die Verantwortung, das Ehrenwort – was soll denn das? 
Es hätte genügt zu sagen: "Herr Zanders, seine Majestät will Sie sehen. Gehen Sie hinüber, sprechen Sie mit ihm, etwa eine halbe Stunde lang, doch ich weise Sie darauf hin, jedes Gespräch, dass sich um Veränderungen, Reisen oder selbständige Verfügungen seiner Majestät dreht, zu ignorieren."
Aber diese Überbetonung auf die Fürsorglichkeit des Arztes und die Loyalität des Beamten Gudden, das ist schon ein wenig zu dick aufgetragen. 

Version zwei ist auch interessant, über sie wird, zusammen mit der dritten Version, im nächsten Teil berichtet.

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