Sonntag, 21. Juni 2020

König Ludwig II. - ein vertuschter Kriminalfall? - 66. Teil

Die Ereignisse des 13. Juni 1886 - Teil 14


Mittlerweile ist es 22.00 Uhr, Baron Washington entschließ sich, Prinzregent Luitpold und die Minister in München per Telegramm zu benachrichtigen. Das erste Telegramm erhält der Adjutant Luitpolds, Oberst Freyschlag. Sinngemäß wird gemeldet, dass der König und Gudden um 18.30 Uhr mit Gudden im Park spazieren und bis jetzt nicht zurückgekehrt sei. Die Durchsuchung des Parks habe kein Resultat gezeigt. Außerdem sei Kammerdiener Mayr am Abend nach München gereist, er solle morgen zurückkommen. Man erbitte weitere Befehle.

Weitere Telegramme an die Minister folgen. Kaum sind die Telegramme abgeschickt, kommen Gendarmen zu Washington und melden, dass das Mitteltor des Parks zwar abgeschlossen, in der Wiese aber eine frische Wagenspur zu finden sei, die in Richtung München führe. Washington gibt sofort Befehl, einzuspannen und im nächsten Dorf nachzufragen, ob ein Wagen durchgefahren sei.
Inzwischen suchen alle anderen in Park weiter, darunter auch die beiden Hofoffizianten Ritter und Rottenhöfer. Als die beiden vom südlichen Ende des Parks auf den Seeweg zurückgehen, kommen sie zur dritten Ruhebank, vom Schloß aus gerechnet. Rottenhöfer macht die Bemerkung, dass der König am Vormittag auf dieser Bank gesessen habe. Ritter beschließt, nochmals am See nachzusehen. Er geht vom Weg ab, durch die Böschung und schaut sich um. Seine Laterne ist ausgelöscht.
Es ist stockdunkel und es regnet immer noch stark.

Da bemerkt Ritter etwas Schwarzes ganz nahe am Ufer, das an dieser Stelle ganz seicht in den See hinein verläuft. Er macht einen knappen Schritt ins Wasser und zieht etwas Tuchähnliches heraus.
Trotz stockfinsterer Nacht erkennt er den Überzieher, also den Mantel des Königs. Noch mehr: er stellt sofort fest, dass der Leibrock, also das Jackett, mit den Ärmeln im Mantel steckt.
Rottenhöfer, der herbeigeeilt ist, sieht sich ebenfalls aufmerksam um. Da entdeckt er den Regenschirm des Königs. Die Fundstelle befindet sich drei Schritte oberhalb der Kiesbank nahe am Wasser.
Ritter und Rottenhöfer schlagen Lärm. Der Pfleger Schneller und der Koch Gerhager eilen herbei und werden informiert. Rottenhöfer geht am Ufer entlang und findet nach ca. 40 m den völlig durchnäßten Hut des Königs. Der Hut ist an der Krempe beschädigt.
Gerhager findet den Hut, besser Zylinder, Guddens. Die Fundstelle des Zylinders befindet sich unweit der Fundstelle des königlichen Hutes, er ist von oben geknickt und eingedrückt.
Die vier Männer eilen zum Schloß. Dr. Müller begibt sich zur Fundstelle der Hüte und sieht von dort aus die nassen Röcke des Königs, außerdem Guddens Regenschirm, der auf dem Trockenen liegt.
Mittlerweile ist es 22.30 Uhr. Schloßverwalter Huber läuft hinunter zum See und weckt den kgl. Leibfischer Lidl.
Gegen 23.00 Uhr besteigen Lidl, Huber und Dr. Müller Lidls Boot und fahren um ca. 23.00 Uhr gegen Leoni zu.
Ein weiteres Telegramm geht nach München ab und es wird vermeldet, dass man den Mantel und Hut des Königs, sowie den Hut Guddens gefunden habe. Sogleich sei man mit einem Boot auf Suche gegangen. Das Amtsgericht in Starnberg sei verständigt.

Wenn das kein abgekartetes Spiel war, dann weiß ich nicht.

  • Da geht, an einem Feiertag, nämlich Pfingstmontag, zu späterer Stunde ein Telegramm an den Prinzregenten ab. Gewiß, der diensthabende Adjutant war verfügbar, aber man darf davon ausgehen, dass der Prinzregent, ein älterer Herr, zu dieser späteren Stunde sich wohl schon zur Nachtruhe begeben hatte.
  • Und was spielt Kammerdiener Mayr für eine Rolle? Er war nur Bediensteter am königlichen Hof.
  • In einer Regennacht findet man frische (!!) Wagenspuren auf der Wiese hinter dem abgeschlossenen Parktor, sie weisen in Richtung München.
  • Dann sind da die beiden Hofoffizianten Ritter und Rottenhöfer, die sich an der Suche beteiligen. Ritter hat den Einfall, unterhalb der Ruhebank nochmals an den See zu gehen. Es ist wohlgemerkt eine rabenschwarze Nacht, es regnet stark und die Beleuchtung, in dem Fall eine Laterne, ist ausgelöscht, man sieht also gerade mal noch die Hand vor Augen. Und doch entdeckt Ritter etwas Schwarzes (!!) nahe am Ufer, das Fundstück, nach einem Schritt ins Wasser, entpuppt sich als Mantel des Königs und Ritter kann sogar erkennen, dass das Jackett des Königs im Mantel steckt.
  • Rottenhöfer entdeckt sogar einige Schritte weiter, ein Schritt entspricht 0,75 m, den Regenschirm des Königs.
  • Dann geht Rottenhöfer am Ufer entlang und entdeckt nach ca. 40 Meter den Hut des Königs, er kann sogar erkennen, das dieser beschädigt ist.
  • Gerhager entdeckt, nur ein paar Meter entfernt, den Zylinder Gudden, der ebenfalls Beschädigungen aufweist.
  • Dr. Müller, der informiert wurde, sieht sogleich den Regenschirm Guddens, er auf dem Trockenen liegt und, auf 40 m (!!) die Kleidungsstücke des Königs.
  • Dann entschließt man sich endlich, mit einem Boot den See abzusuchen (!!)


Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass hier heftig gelogen wurde. Männer suchen bereits Stunden zuvor den gesamten Park ab, der, als englischer Landschaftspark, eher übersichtlich und gepflegt war. Sie entdecken - nichts!
Boote, um den See abzusuchen, werden vorerst nicht losgeschickt, angeblich, weil dies große Aufmerksamkeit erregen könnte.
Gegen 22.00 Uhr entschließt man sich, Telegramme aufzugeben. Nicht nur an den Prinzregenten, sondern auch an die Minister. An einem Feiertag? Das bekommt den Beigeschmack, als habe man darauf gewartet. Was für eine Rolle spielte Kammerdiener Mayr dabei, der extra im Telegramm erwähnt wird?
Dann findet man, in der Nacht, frische Wagenspuren in einer Wiese hinter dem Parktor - alles ohne richtige Beleuchtung, bei Wind und Regen.
Die Hofoffizianten Ritter und Rottenhöfer haben sich an der Suche beteiligt. Da kommt Ritter der geniale Einfall, doch mal unterhalb der letzten Ruhebank, kurz vor der Parkmauer, in den See zu sehen. Hat das keiner von den Suchenden vorher gemacht? Das liegt doch sehr nahe, sofort das Ufer abzusuchen, es könnte doch ein Unfall passiert sein oder ein Hilfloser dort liegen.
Was folgt ist ein schieres Meisterstück! Ritter sieht in einer dunklen Regennacht, ohne Licht, etwas Schwarzes im See. Er zieht in größter Ufernähe, nur ein Schritt ins Wasser, das schwere Tuch heraus und erkennt in ihm den Mantel des Königs. Mehr noch, er sieht sofort, dass im Mantel noch das Jackett des Königs steckt.
Rottenhöfer, der nähergekommen ist, ob er eine Laterne, bzw. eine Fackel hatte, ist nicht bekannt, und entdeckt sofort den Regenschirm des Königs.
Die Männer schlagen Alarm, zwei weitere Männer kommen hinzu. Rottenhöfer läuft nun am Ufer entlang und entdeckt des Hut des Königs, der beschädigt ist. Gerhager, entdeckt nach wenigen Schritten den Zylinder Guddens, der ebenfalls beschädigt ist.
Jetzt wird Dr. Müller informiert, der zur Fundstelle der Hüte eilt, dabei findet er den Regenschirm Guddens.
Endlich entschließt man sich, den See abzusuchen.

Erstaunlich! Da sucht man zuerst mit Männern den gesamten Park, der abgeschlossen und bewacht ist, ab. Boote werden zur Suche nicht ausgeschickt. Es kommt keiner auf die Idee, das Ufer abzusuchen, obwohl das doch in eine Suche normalerweise einbezogen wird.
Nach 22.00 Uhr bemerkt ein Offiziant, wohlgemerkt ohne Licht, etwas Schwarzes in Ufernähe. Er zieht dieses Etwas aus dem seichten Wasser und erkennt den Mantel des Königs. Mehr noch: er sieht das Jackett des Königs im Mantel stecken.
Rottenhöfer, ob mit Laterne oder Fackel, was aber keinen Unterschied macht, da diese Laternen nicht weit leuchteten, findet den Regenschirm des Königs. Dann geht er am Ufer entlang und entdeckt den Hut des Königs, der beschädigt ist, Gerhager den Hut Guddens, der ebenfalls beschädigt ist.
Nachdem man Dr. Müller verständigt hat, entschließt man sich, den See mit einem Boot abzusuchen (bei Dunkelheit, Regen und Wellengang).

Zur besseren Ansicht Laternen, wie sie im 19. Jahrhundert üblich waren. Fackeln scheiden bei der Suche aus, da der Regen sie gelöscht hätte.


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