Sonntag, 21. Juni 2020

König Ludwig II. ein vertuschter Kriminalfall? - 61. Teil

Die Ereignisse des 13. Juni 1886 - Teil 9

In der Zwischenzeit hat sich Dr. Gudden mit Baron Washington unterhalten und in dem Gespräch seiner Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, dass sich der König so folgsam verhält und alle Anordnungen ohne Murren befolgt. Er sehe den Grund darin, dass sich der König selbst krank fühle, aber die Hoffnung habe, wieder hergestellt zu werden.
Dann wendet sich Gudden zunächst mit den Worten "Wenn mich Ihre Majestät nur von dem Spaziergang weglassen würde! Der Herr strengt einen so fürchterlich an mit seinen vielen Fragen" an Baron Washington, dann geht er aus dem Zimmer. Seine letzten Worte zu Baron Washington sind: "Um 8 Uhr zum Souper".
Als nächstes klopft Gudden bei Dr. Müller an, der gerade einen Brief schreibt. Dr. Müller will aufspringen, doch Gudden hält ihn nieder: "Lassen Sie sich nicht stören". Dann schaut er sich die Bilder aus den Wagneropern an, von denen mehrere im Zimmer hängen. Dann sagt er zu Dr. Müller: "Wenn ich nur nicht jetzt zur Audienz befohlen werde. Die ewige Ausfragerei ist geradezu peinigend. Der König will immer alles in Detail wissen und fragt dann immer noch warum".
Da klopft Mauder und teilt Gudden den Wunsch des Königs auf einen weiteren Spaziergang mit, dann holt er aus dem Nebenzimmer den Überzieher und den Regenschirm des Königs.
Müller frägt Mauder, der Opferpfleger ist, welcher Pfleger jetzt für den Dienst, also die Begleitung der beiden Männer eingeteilt ist. Mauder antwortet, dass Pfleger Schneller eingeteilt ist. Auf Anweisung von Dr. Müller benachrichtig Mauder Pfleger Schneller, der sich unverzüglich zum Mitgehen fertig macht.
Dann geht Mauder ins Wohnzimmer des Königs, um dem König beim ankleiden behilflich zu sein. Der König setzt seinen Hut auf, läßt den Überzieher aber offen. Nachdem Gudden erscheint, geht er aus dem Zimmer und schreitet die Treppen des Schlosses hinab. Ihm folgen Gudden und Mauder, dann tritt der König ins Freie. Der Regen hat nun fast aufgehört und der König bittet Mauder, ihm den Schirm zusammenzurollen.
Mauder will ins Schloß zurückkehren, da hält ihn Gudden auf und erteilt leise die Anweisung, dass kein Pfleger mitgehen dürfe. Dann geht Gudden dem König nach, Mauder ins Schloß und er eilt zu Dr. Müller, um ihm die Anweisung Guddens mitzuteilen. Darauf Müller:"Gut!"
Nun sucht Mauder Schneller und teilt diesem die Anweisung Guddens und die Zustimmung Dr. Müllers mit.
Man sieht den König, 1,91 m groß, fast zwei Zentner schwer, bekleidet mit einem schwarzen Mantel, öfters ist auch die Rede von einem hellen Sommermantel, und Dr. Gudden, der einen Zylinder trägt, er ist 62 Jahre alt und ca. 1,65 m groß, den nach Süden führenden Uferweg einschlagen. Der Weg liegt nahe am Wasser und Bäumen umsäumt.

Und schon tauchen bei mir Fragen auf.

* Warum verabschiedet sich Gudden angeblich von Dr. Müller mit den Worten "Um 8 Uhr zum Souper"? Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass Dr. Gudden zuerst zu einer Feier in der Villa Poschinger eingeladen war und dann nach München zurückfahren wollte. Wie sollte das Souper um 8 Uhr passen? Da wäre Gudden auf der Feier in der besagten Villa gewesen und später auf dem Rückweg nach München. Damit hätte sich das auch am späten Nachmittag an Lutz abgesandte Telegramm erübrigt, denn Gudden hätte Lutz am darauffolgenden Tag, Dienstag, eine mündliche Mitteilung machen können.

* Gudden, der sich am Nachmittag beim Kaffee mit seinen Kollegen bei einer Besprechung über den König noch unbesorgt gibt, jammert jetzt über die Audienz und den anstehen Spaziergang.
Warum? Er hätte den Spaziergang ganz einfach absagen können oder einen Kollegen, selbstverständlich unter der zusätzlichen Begleitung von zwei Pflegern, damit beauftragen können.

* Stattdessen macht sich Gudden mit dem König selbst auf den Weg. Mehr noch, er verzichtet auf die Begleitung von mindestens einem Pfleger. Er mußte doch die gesetzliche Vorschrift kennen, nur in Begleitung von zwei Pflegern einen Ausgang mit einem geisteskranken Patienten zu unternehmen. Nach seinem Gutachten war der König geisteskrank....

* Und Dr. Müller, dem die Vorschrift ebenso bekannt sein mußte? Anstatt sofort zwei Pfleger hinterher zu schicken, kommt von ihm nur ein lapidares "Ist gut", dann schreibt er in Seelenruhe weiter. Mit Hörigkeit und Katzbuckeln seinem Vorgesetzten, Dr. Gudden, gegenüber, ist das nicht erklärbar.

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