Dienstag, 7. April 2015

Stevenson, Robert Louis - Der Leichenräuber (Rezension)

Der Autor

Robert Louis Balfour Stevenson (* 13. November 1850 in Edinburgh; + 3. Dezember 1894 in Vailima, nahe Apia, Samoa) war ein schottischer Schriftsteller des viktorianischen Zeitalters. Stevenson, der an Tuberkulose litt, wurde nur 44 Jahre alt; jedoch hinterließ er ein umfangreiches Werk von Reiseerzählungen, Abenteuerliteratur und historischen Romanen sowie Lyrik und Essays.

Das Buch

Der versoffene Schotte Fettes, ein offenbar medizinisch gebildeter alter Mann, erzählt einem anonymen Zuhörer eine schaurige Geschichte aus seiner Jugend.
Fettes hatte in Edinburgh bei Mr. K. Medizin studiert und war für die Beschaffung anatomischen Materials zuständig gewesen. Er hatte die Lieferanten aus Mr. K.s Kasse zu bezahlen und musste schweigen. Manchmal hatte sich der Student Fettes über die merkwürdige Frische der Leichen gewundert. Als die Kerle ihm Jane Galbraith bringen, ein Mädchen, mit dem er gestern noch gescherzt hatte, erkennt Fettes sie schauderend.
Der Student untersucht die Tote und entdeckt Strangulierungszeichen. Wolfe Macfarlane, einer der jungen Assisten Dr. K.s, äußert Fettes gegenüber, die Leichen seien durch Mord beschafft – mit einer Ausnahme. Wenn die „Lieferung“ stockt, fahren Fettes und Macfarlane mit Spaten bewaffnet aufs Land und schänden Dorffriedhöfe.
Zeit vergeht. Manchmal trinkt Fettes mit seinem Spießgesellen. Bei der Gelegenheit beobachtet er, wie ein gewisser vor Gesundheit strotzender Mr. Gray den doch selbstsicheren Macfarlane am Gängelband führt. Am Tage darauf liefert Macfarlane die Leiche des armen Gray bei Fettes ab. Der Ordnung halber fordert der Mörder die übliche Summe Geldes. Fettes zahlt und verstrickt sich hoffnungslos in das schaurige Geschäft. Als Mr. K. wieder einmal den Mangel an Leichen beklagt, machen sich die jungen Doktoren Fettes und Macfarlane in ein kleines Dorf auf. Die Beiden reißen des Nachts die mit Sackleinwand umhüllten vermeintlichen Überreste einer kürzlich beerdigten Bauersfrau aus dem Grab und fahren – den Leichensack in ihrer Mitte – nach Edinburgh. Unterwegs fürchtet sich Fettes vor der unheimlichen Last und besteht auf dem Öffnen des Sackes. Darin steckt die zerstückelte Leiche des Mr. Gray.

Hinweis: Stevenson lehnte seine Geschichte vermutlich an den historischen Kriminalfall der Mörder William Burke und William Hare an, die den Antomen Robert Knox mit Leichen versorgten.
Leider war die Leichenräuberei ein illegagales Geschäft, da die Sektion von Leichen zu diesem Zeitpunkt noch gesetzlich verboten war.

Meine Meinung

Die Erzählung kann als Gleichnis über den Widerstreit von Gewissen und Skrupellosigkeit und vor allem über die Korrumpierung des Menschen gelesen werden. 
Fettes wird als schwacher Charakter, als Sklave seiner Begierden geschildert, der nur auf Grund nüchterner Abwägung noch nicht straffällig geworden ist. 
Ähnlich wie Dr. Jekyll zeigt Fettes tagsüber die Fassade des tadellosen Studenten, der sich Nachts als Ausgleich lärmenden Vergnügungen hingibt.
Die Zerissenheit des Ichs, das immer wieder in Gewissenkonflikte gerät, wird wird hier anhand einer Schauergeschichte, umrahmt mit düsteren Friedhofs- und Landschaftsszenen meisterlich erzählt.

Eine Geschichte, die ich unbedingt empfehlen möchte, vor allem den Lesern von Gothic Novels.

Das Buch, meistens in einem Sammelband von Stevensons Geschichten, ist im Internet erhältlich.

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