Samstag, 11. April 2015

Roth, Josef - Radetzkymarsch (Rezension)

Der Autor

Moses Joseph Roth wurde am 2. September 1894 als Sohn des Holz- und Getreidehändlers Nachum Roth in Brody bei Lemberg (Lwiw) geboren. Die galizische Stadt gehörte damals zur Habsburger Doppelmonarchie.
Nach dem Abitur in Brody immatrikulierte Joseph Roth sich 1913 für ein Germanistikstudium an der Universität Lemberg und wechselte im Jahr darauf zur Universität Wien über.
Im August 1916 kam er zum Militär, wurde aber 1917 zum Pressedienst versetzt. Sein wegen des Krieges abgebrochenes Germanistikstudium nahm Joseph Roth auch nach dem Ersten Weltkrieg nicht wieder auf. Stattdessen wurde er Journalist, zunächst bei der Wiener Zeitung "Der Neue Tag" und 1920 für verschiedene Zeitungen in Berlin. Am 5. März 1922 vermählte Joseph Roth sich mit der Wienerin Friederike Reichler. Mit ihr kehrte er 1923 in die österreichische Hauptstadt zurück und schrieb auch dort für mehrere Zeitungen. Als Feuilletonkorrespondent der "Frankfurter Zeitung" ging er 1925 nach Paris. Weil er diese begehrte Aufgabe 1926 an Friedrich Sieburg abtreten musste, entschädigte ihn die Zeitung mit einer Reportage-Reise durch die Sowjetunion.
Friederike erkrankte 1928 an Schizophrenie und musste in eine Nervenheilanstalt eingewiesen werden.
Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Januar 1933 emigrierte Joseph Roth mit seiner damaligen Lebensgefährtin Andrea Manga Bell nach Paris, wo er für Exilzeitungen schrieb.
Roth war nicht nur einer der bekanntesten Journalisten der Zwanzigerjahre, sondern er ging darüber hinaus als Chronist des Zerfalls der k. u. k. Monarchie in die Literaturgeschichte ein.
Er erlag am27. Mai 1939 in Paris einer Lungenentzündung undwurde er auf dem Cimetière Thiais beigesetzt.

Das Buch (Klappentext und Inhaltsangabe)

Am 24. Juni 1859 kämpfen die Österreicher bei Solferino südlich des Gardasees gegen Piemontesen und Franzosen. In einer Kampfpause hebt der achtundzwanzigjährige Kaiser Franz Joseph I. einen Feldstecher, um sich umzusehen.
Ein junger Infanterieleutnant reißt den Kaiser zu Boden, und wird im nächsten Augenblick von der dem Kaiser zugedachten Kugel in die linke Schulter getroffen. Dafür, dass der aus dem Dorf Sipolje stammende slowenische Offizier ihm das Leben gerettet hat, befördert Kaiser Franz Joseph ihn zum Hauptmann, verleiht ihm den Maria-Theresia-Orden und erhebt ihn in den Adelsstand: Joseph Trotta von Sipolje darf dieser sich jetzt nennen. Joseph Trotta von Sipolje heiratet die nicht mehr ganz junge, begüterte Nichte eines Obersten und zeugt mit ihr einen Sohn, der auf den Namen Franz getauft wird.
Im Lesebuch seines inzwischen fünf Jahre alten Sohnes entdeckt Trotta ein Stück mit dem Titel "Kaiser Franz Joseph I. in der Schlacht bei Solferino". Neugierig liest er es – und beschwert sich wütend beim Kultus- und Unterrichtsministerium in Wien, denn das historische Ereignis ist völlig falsch dargestellt. Obwohl Trotta nicht bei der Kavallerie, sondern bei der Infanterie war, heißt es da, er sei dem im Eifer des Gefechts zu weit vorgedrungenen Kaiser auf seinem Fuchs zu Hilfe geeilt und habe mit ihm zusammen heldenhaft die feindlichen Reiter zurückgeschlagen. Als die Beamten sich auf den Hinweis beschränken, dass man die Lesebuch-Texte kindgerecht aufbereiten müsse, ersucht Trotta auf dem Dienstweg um eine Audienz bei Kaiser Franz Joseph I. Der rät ihm, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Trotta reicht jedoch seinen Abschied bei der Armee ein. Durch die Gunst des Kaisers wird er als Major entlassen, in den Freiherrnstand erhoben und erhält für seinen Sohn ein Stipendium. Joseph Trotta Freiherr von Sipolje zieht sich auf das kleine Gut seines Schwiegervaters in Böhmen zurück.
Baron Franz von Trotta studiert Jura, wird Bezirkskommissär in Schlesien und bringt es in der Stadt W. in Mähren zum Bezirkshauptmann. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Vater bereits gestorben. Den Diener Jacques und die Hausdame Fräulein Hirschwitz hat der Bezirkshauptmann übernommen. Baron Franz von Trotta und Sipolje fühlt sich durch und durch als pflichtbewusster Beamter des Kaisers und benimmt sich entsprechend diszipliniert.
Carl Joseph, der Sohn des Bezirkshauptmanns, der seinen Großvater nur von dem an einer Wand hängenden Porträt her kennt, wird eines Tages von "Kathi"Luise Slama, der Ehefrau des Wachtmeisters Slama, verführt. Fast jeden Nachmittag schleicht der Jugendliche sich von da an zu seiner Geliebten.
Als Katharina Slama stirbt, gehört es sich, dass auch der Sohn des Bezirkshauptmanns dem Witwer einen Kondolenzbesuch abstattet. Beide Männer versuchen ihre Verlegenheit zu überspielen.
Das Leben der Offiziere spielt sich zwischen dem Exerzierplatz und dem Kasino ab. Zwischendurch besuchen sie das Bordell der Resi Horwath, die den Radetzkymarsch auf dem Klavier klimpern lässt, sobald die Herren auftauchen. Carl Joseph befreundet sich mit dem Regimentsarzt Max Demant.
Eines Abends, als Trotta zu einem Rendezvous geht, begegnet er vor dem Theater Eva Demant. Da sie allein ist, hält er es für seine Kavalierspflicht, sie nach Hause zu begleiten. Sie kommen am Kasino vorbei und werden dort von Offizieren gesehen. Daraufhin ärgert Rittmeister Graf Tattenbach den Regimentsarzt mit anzüglichen Bemerkungen. Die Ehre verlangt es schließlich, dass sie sich duellieren. Bei dem Duell im Morgengrauen – einem gleichzeitigen Schusswechsel aus zehn Schritt Entfernung – werden beide Kontrahenten tödlich getroffen. Demant hinterlässt Trotta seinen Säbel und seine Taschenuhr. Obwohl zwischen Trotta und der Frau seines Freundes nichts vorfiel, macht der Leutnant sich Vorwürfe, weil er so unvorsichtig war, mit ihr am Kasino vorbeizugehen. Er lässt sich zu einem zwei Meilen von der russischen Grenze entfernten Jägerbataillon versetzen.
Einige Zeit später stirbt Jacques, der inzwischen zweiundachtzig Jahre alte Diener des Bezirkshauptmanns und Baron von Trotta sucht nach Ersatz, aber damit tut er sich schwer.
Leutnant Trotta bürgt für Darlehen, die Hauptmann Wagner immer wieder bei einem Mann namens Kapturak aufnimmt, und zwar in der Hoffnung, das beim Spiel verlorene Geld durch neue Einsätze zurückgewinnen zu können.
Um Trotta wenigstens vorübergehend von Wagner wegzukriegen, ersucht ihn Graf Chojnicki, seine Freundin "Wally" von Taußig, die Witwe eines verstorbenen Rittmeisters und Ehefrau eines geistesgestörten Fabrikanten, nach Wien zu begleiten. Während der Bahnfahrt verführt die Zweiundvierzigjährige den jungen Leutnant und wird seine Geliebte.
Nach seiner Rückkehr schlägt Leutnant Trotta mit seinem Zug zögerlich eine Demonstration streikender Arbeiter nieder. Tote und Verletzte bleiben auf der Straße liegen. Trotta selbst wird mit einem Schädelbruch und einer Fraktur des linken Schlüsselbeins ins Spital gebracht, wo er auch noch an einer Gehirnhautentzündung erkrankt.
Wegen geplatzter Wechsel von spielsüchtigen Kameraden, aber auch eigenen Ausgaben, schuldet Trotta dem Geldverleiher Kapturak schließlich 7250 Kronen. Als dieser auf einer zumindest teilweisen Rückzahlung besteht, gerät der Leutnant in Wut und zieht seinen Säbel. Nach diesem Vorfall muss Trotta mit einer unehrenhaften Entlassung rechnen. Verzweifelt wendet er sich an seinen Vater.Die Schulden des Leutnants werden beglichen, und Kapturak muss die Garnisonsstadt verlassen. Nach diesem unverdient glücklichen Abschluss der Affäre teilt Carl Joseph von Trotta seinem Vater mit, er wolle seinen Dienst bei der Armee quittieren.
Trotta erhält seinen Abschied und zieht in ein Häuschen des Grafen Chojnicki, das er sich mit dem Unterförster Jan Stepaniuk teilen muss. Als Gegenleistung kümmert er sich um die Abrechnungen des Grafen für die Lohnarbeiter und den Bedarf der Gäste.
Als der Krieg beginnt, zieht Trotta seine Uniform wieder an und meldet sich bei seinem Jägerbataillon zurück, das noch in derselben Nacht abmarschiert. Ohne dass es zu einer Schlacht gekommen wäre, wird nach drei Tagen der Rückzug befohlen. Die Soldaten sind erschöpft und halb verdurstet, als sie endlich einen Brunnen entdecken. Die ersten laufen hin – und werden von feindlichen Reitern erschossen. Leutnant Trotta befiehlt seinem Zug, anzuhalten, lässt sich zwei Eimer aus wasserdichtem Leinen geben und geht persönlich zum Brunnen, um für seine Männer Wasser zu schöpfen. Die gegnerischen Kugeln ignoriert er. Auf dem Rückweg wirft ein Kopfschuss ihn zu Boden. Die Eimer laufen aus. Der Bezirkshauptmann kann es nicht fassen, dass sein Sohn mit Wassereimern in den Händen gefallen ist.
Kaiser Franz Joseph I. stirbt am 21. November 1916. An dem Tag, an dem er in der Kapuzinergruft bestattet wird, stirbt auch Baron Franz von Trotta.

Meine Meinung

Joseph Roth zeigt in diesem Buch, warum er für mich zu den Klassikern, gehört.
Dem Autor gelingt eine sehr anschauliche Darstellung der großen Umwälzungen, die die österreichisch-ungarische Monarchie und ganz Europa um die Jahrhundertwende zwischen 19. und 20. Jahrhundert zu erschüttern begannen und die schließlich im 1. Weltkrieg mündeten. Roth versteht es dabei ausgezeichnet, die Reaktionen der Personen auf den drohenden Untergang der traditionellen Weltordnung einzufangen. Das Spektrum reicht von sturem Festhalten am Althergebrachten bis zu schierer Verzweiflung und vor allem Orientierungslosigkeit.
Durch den besonderen Stil des Autors entsteht eine dichte Atmosphäre, die den Leser vor allem in der zweiten Hälfte des Romans kaum loslässt und die bedrückende Stimmung ist beinahe fühlbar.
das Werk auch historisch interessant. Die Lektüre liefert einen lebendigen und authentischen Einblick in die Endzeit der alten Habsburgermonarchie. Authentisch vor allem deshalb, weil sich Roth ähnlich schwer mit dem Untergang seines Vaterlandes tat, wie viele seiner Zeitgenossen. Insbesondere der Tod des alten Kaisers Franz Joseph scheint einen starken Eindruck auf den Autor gemacht zu haben.
Als Fortsetzung empfiehlt sich "Die Kapuzinergruft".

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