Der Autor
Joel F. Harrington ist Professor für Europäische Geschichte an der Vanderbilt University. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Sozialgeschichte, vor allem zur Zeit der Reformation und der Frühen Neuzeit in Deutschland. Für seine Forschung hat er zahlreiche Förderungen erhalten, darunter von der Fulbright-Hayes Foundation und vom DAAD. Harrington hat in Nordamerika und Europa gelehrt und war u.a. Fellow der American Academy in Berlin sowie Gastprofessor in Cambridge und an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Weitere Publikationen sind "Das ungewollte Kind: Das Schicksal der Findlinge, Waisen und jugendlichen Kriminellen in der frühen Neuzeit" sowie "Neuordnung der Ehe und Gesellschaft während der Reformation Deutschlands". Beide Bücher sind nur in der englischen Originalausgabe erhältlich.
Weitere geplante Projekte sind eine Studie des spätmittelalterlichen Mystikers Meister Eckhart sowie ein Vergleich zwischen Kindstötung und Hexerei.
Klappentext
Frantz Schmidt tötete fast 400 Menschen, unzählige weitere hat er gefoltert oder verstümmelt. Und doch war er am Ende seines Lebens ein angesehener Mann. Ungewöhnlich ist nicht nur der Lebensweg des Meister Frantz, der im 16. Jahrhundert in Nürnberg als Henker arbeitete, sondern auch, dass er Tagebuch schrieb. Der Historiker Joel Harrington hat dieses einmalige Zeugnis nun erstmals umfassend ausgewertet und gibt in seinem packenden Buch seltene Einblicke in das Leben, Denken und Fühlen der Menschen am Beginn der Neuzeit.
Das Handwerk des Tötens hatte Frantz Schmidt von seinem Vater gelernt, doch sein Leben lang strebte er danach, dem unehrenhaften Stand des Henkers zu entfliehen. Als Scharfrichter in Nürnberg waren es vor allem die Kriminellen, die Außenseiter und Pechvögel, mit denen er in Kontakt kam, der Zugang zur ehrbaren Gesellschaft blieb ihm lange verwehrt. Über seine grausame Arbeit hat Meister Frantz über 45 Jahre lang Buch geführt und der Nachwelt damit eine höchst ungewöhnliche Quelle hinterlassen. Basierend auf dem Tagebuch und anhand umfangreicher Forschung gelingt es Joel Harrington meisterhaft, das Leben des Frantz Schmidt in all seinen Facetten und Widersprüchen zu schildern. Er erzählt damit nicht nur eine faszinierende Lebensgeschichte, sondern erschließt uns zugleich eine Epoche, in der die Welt sich zur Moderne wandelt.
Meine Meinung
Meister Frantz tötete von Berufs wegen fast 400 Menschen. Allein 172 Männer und Frauen erhängte er, 30 Schwerverbrecher räderte er. Daneben die vielen Delinquenten, die der Nürnberger Scharfrichter folterte und verstümmelte.
Wie sah das Leben eines Mannes aus, der einen solch schauerlichen Beruf ausübte und darin auch noch besonders erfolgreich war? Denn obwohl Meister Frantz einem verachteten Berufsstand angehörte, war er ein wohlhabender und am Ende seines Lebens auch angesehener Mann.
45 Jahre lang übte er sein grausiges Amt aus und führte darüber penibel Buch. Diese Chronik des Schreckens wurde zur Grundlage für Harringtons faszinierende Biografie. Dabei interessiert den Professor für Europäische Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville vor allem Schmidts unermüdliches Streben, den Familienfluch abzuschütteln und seine Ehre wiederherzustellen.
Die Hinrichtungsmethoden des 16. Jahrhunderts erscheinen uns heutzutage barbarisch, erst recht die ausgeklügelten Foltermethoden. Vom damaligen Rechtssystem haben wir aber wenig Ahnung. Die staatliche Strafverfolgung war nämlich kläglich ineffizient, selten gab es handfeste Beweise, eine Spurensicherung kannte man nicht. Entsprechend schwierig war es, Täter zu überführen. Dies ist der Hintergrund für die vielen "peinlichen" Befragungen, macht sie aber natürlich keineswegs sympathischer.
Die seinerzeit vorherrschende These, dass "Schmerz die Wahrheit ans Licht bringt", scheint von Frantz Schmidt nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden zu sein. Allerdings hält Harrington ihn keinesfalls für einen Sadisten: "Fast immer versuchte er, mit Hilfe von psychischem Druck und anderen nicht gewaltsamen Mitteln an ein Geständnis zu kommen, bevor er dem Verdächtigen Schmerzen zufügte."
Der Scharfrichter hatte durchaus einen gewissen Entscheidungsspielraum. So empfahl Meister Frantz die Freilassung von zwei älteren Frauen, die der Hexerei verdächtigt wurden, weil sie nicht einmal die mildeste Form der Folter aushalten würden. Doch im Großen und Ganzen stellte er das geltende Rechtssystem nicht in Frage. Am meisten verabscheute der Nürnberger Henker Mord aus Niedertracht. Mehrfach schildert er in seinem Tagebuch ausführlich Raubmorde aus dem Hinterhalt, etwa wie ein Sohn seinem Vater auflauerte, als dieser gerade arglos eine Vogelfalle aufstellte. Solche heimtückischen Täter fanden bei ihm keinen Pardon.
Das Scharfrichteramt galt als unredlich. Die Familien führten eine Existenz am Rande der Gesellschaft, waren als Parias von vielem ausgeschlossen. Für die aus Hof stammende Familie Frantz war es besonders bitter, denn das ungeliebte Amt war ihnen von einem Landesherrn aufgebürdet worden. Frantz Schmidt kämpfte sein Leben lang gegen diese Demütigung an. Zunächst indem er seinen Beruf als ein Handwerk wie jedes andere auffasste, das er so gut wie möglich auszuüben suchte. Schmidt erlaubte sich kaum Patzer. Nur zwei Prozent seiner Hinrichtungen mit dem Schwert misslangen. Zudem war sein Lebenswandel vorbildlich, im Gegensatz zu anderen Henkern trank er zum Beispiel keinen Alkohol.
Die Stadt Nürnberg dankte ihm durch gute Bezahlung, vermutlich war Schmidt der bestbezahlte Scharfrichter im ganzen Reich. Später erwarb er sogar das Bürgerrecht. und eine lebenslange Anstellung. In seinem Ruhestand, der Kaiser machte ihn auf Antrag der Stadt Nürnberg ehrlich, d.h. er erhielt den Ehr- oder Bürgerbrief, stieg er schließlich zum Mediziner auf, die Krönung seiner Laufbahn.
Mir hat außerdem sehr gut gefallen, dass es sich nicht um ein nüchternes, scheues Sachbuch handelt, das mit spitzen Fingern an die Thematik herangeht, wie es mir mit vielen Büchern dieser Art ergangen ist. Es ist vielmehr ein kluges und intelligentes Buch, das mit sehr viel Einfühlungsvermögen und historischem Hintergrund geschrieben wurde. Nicht nur Meister Frantz, nein die gesamte Gesellschaft der damaligen Zeit wird aufgezeigt und man kann vollständig eintauchen.
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