Samstag, 3. Dezember 2016

Heresch, Elisabeth - Alexej, der Sohn des letzten Zaren

Die Autorin

Dr. Elisabeth Heresch studierte Russisch, Slawistik und Romanistik.
Sie arbeitete für den Rundfunk in Wien und USA, sowie u.a. für die Osteuropa-Abteilung der UNESCO.
Als Autorin ist sie bisher mit elf Büchern zur russischen Geschichte hervorgetreten, u.a. Alexandra - Tragik und Ende der letzten Zarin.
Elisabeth Heresch lebt in Wien.

Inhalt

Als Nikolaus und Alexandra im November 1894 ihre glanzvolle Hochzeit feiern, freut sich das ganze Land mit und man erwartet von der jungen Frau die Geburt vieler Söhne. Das scheint in der mit Söhnen gesegneten Romanowfamilie eine ganz selbstverständliche Angelegenheit zu sein.
Doch das erste Kind des Paares ist ein Mädchen, Olga, geboren am 15.11.1895.
Doch keiner macht sich Gedanken, am allerwenigsten die glücklichen jungen Eltern, denn sie können noch viele Kinder haben.
Doch statt des ersehnten Sohnes bringt die Zarin in rascher Folge drei weitere Töchter auf die Welt: Tatjana (* 10. Juni 1897),Maria (* 26. Juni 1899) und Anastasia (* 18. Juni 1901).
Der Zar fragt sich verzweifelt, ob ihm überhaupt noch ein Sohn geboren würde und es werden weniger Ärzte, sonder eher Menschen mit zweifelhaftem Ruf konsultiert, wie etwa der Schwindler Philippe. Aber auch die Heiligen werden bemüht, wie etwa Seraphim von Sarow, für dessen Heiligsprechung sich besonders die Zarin einsetzt.
Nach einer Pilgerfahrt zum Schrein des neuen Heiligen wird die Zarin schwanger und banges Warten setzt ein. Wird es diesmal der ersehnte Thronfolger sein? Denn nur ein männlicher Erbe kann, nachdem der Sohn Katharinas der Großen, Zar Paul, ein dementsprechendes Gesetz erlassen hatte, vorher konnten auch Frauen den Zarenthron besteigen, den Thron Rußlands erben.

Am 12.08.1904 brachte Alexandra dann den heiß ersehnten Sohn auf die Welt und hatte somit ihre "Pflicht" erfüllt. Das Kind, das groß und stark war, erhielt den Namen Alexei, nach einem Lieblingsvorfahren des Zaren.
Alexei wurde am 3. September 1904 in der Kapelle im Peterhof getauft. Seine wichtigsten Paten waren seine Großmutter und sein Großonkel, Großfürst Alexei Alexandrowitsch. Seine anderen Paten waren seine älteste Schwester Olga, sein Urgroßvater König Christian IX. von Dänemark, König Eduard VII. des Vereinigten Königreichs, der Prinz von Wales und der Deutsche Kaiser Wilhelm II. Die Predigt wurde von Johannes von Kronstadt geliefert und das Kind wurde von Prinzessin Galitzine, der Herrin der Roben, zu dem Taufbecken gebracht. Als Vorsichtsmaßnahme hatte sie Gummisohlen, um nicht zu stolpern und ihn fallen zu lassen.
Von seiner Mutter hatte er die Bluterkrankheit Hämophilie B geerbt, eine besonders aggressive Form der Bluterkrankheit. Alexei musste oft das Bett hüten und jede noch so kleine Verletzung vermeiden. Aufgrund von inneren Blutungen und aggressiver Medikation hatte er oft große Schmerzen zu erdulden. Der erste Verdacht auf die Bluterkrankheit bestand, und wurde zur Gewißheit, als der Säugling wenige Wochen nach der Geburt aus dem Nabel blutete und sich die Blutung nicht stillen ließ.
Seine Krankheit war in den ersten Jahren als Staatsgeheimnis gehütet worden, bis der Deutsche Kaiser Wilhelm II. auf einem Staatsbesuch einen großen blauen Fleck auf der Stirn des Jungen entdeckte und dieser im Laufe der Tage des Staatsbesuches nicht mehr verschwand. Wilhelm kannte sich mit der Bluterkrankheit sehr gut aus, da zwei Söhne seines Bruders Heinrich auch daran litten.

Das Kind litt von Anfang an an vielen Beschränkungen: es war ihm verboten, mit dem Fahrrad zu fahren, zu reiten oder wild zu spielen. Trotz der Beschränkungen seiner Tätigkeit wurde Alexei von Natur aus aktiv und lebhaft und hatte einen einfachen Geschmack. Er weigerte sich, etwas anderes als Russisch zu sprechen, und genoss das Tragen einer russischen Tracht. Als er ein kleines Kind war, spielte er gelegentlich Streiche auf Kosten der Gäste.
Sein Lehrer, Pierre Gilliard, diskutierte mit den Eltern von Alexei, um sie schließlich zu überzeugen, dass eine größere Autonomie des Kindes zur Entwicklung einer besseren Selbstkontrolle beitragen würde. Der heranwachsende Alexei nutzte diese ungewohnte Freiheit und fing an, einigen seiner früheren Schwächen zu entwachsen. Höflinge berichteten, dass seine Krankheit ihn auch empfindlich für die Schmerzen der anderen machte. Zarewitsch Alexei war einer der ersten Pfadfinder in Russland.

Die schwere Krankheit belastete das Ehepaar zusehends; besonders die zu Schwermut neigende Alexandra zog sich mehr und mehr zurück und nahm schließlich nur noch unausweichliche öffentliche Termine wahr. Nikolaus siedelte mit seiner Familie vom Winterpalast, der offiziellen Zarenresidenz, in den Alexanderpalast nach Zarskoje Selo um. In der bescheidenen Residenz hatte er selbst Teile seiner Kindheit verbracht und fühlte sich dort wohler als im Winterpalast. Hier konnte er das Familienleben ungestört genießen und weilte nur zu Regierungsgeschäften und offiziellen Anlässen in Sankt Petersburg.
Alexandra hingegen flüchtete sich in tiefe Religiosität und ließ nichts unversucht, um ihrem Sohn zu helfen. Um die lebensgefährlichen Blutungen Alexeis zu stillen, warb die Zarin den mysteriösen Wanderprediger und angeblichen Wunderheiler Grigori Jefimowitsch Rasputin an. Ab etwa 1906 ging er am Zarenhof bald ein und aus. Der zwielichtige Prediger konnte die Blutungen des Jungen stillen, weshalb er rasch großen Einfluss auf Alexandra gewann, was Grundlage zahlreicher Gerüchte werden sollte, die vor allem sexueller Natur waren. Ab Kriegsbeginn 1914 verdichtete sich die Gerüchte dahingehend, dass Rasputin ein Spion war, was dann wesentlich zur Revolution beitrug.

Im Ersten Weltkrieg, als sein Vater Befehlshaber der Russischen Armee war, hielt er sich mit ihm im Hauptquartier in Mogiljow auf und beobachtete das militärische Leben. Das gefiel seiner Mutter, der Zarin aber nicht, da sie eine Verletzung und eine schwere Krise wie in Spala 1912 befürchtete.
Im Verlauf der Oktoberrevolution 1917 wurde er mit seiner Familie von den Bolschewiki zunächst in Tobolsk gefangengehalten, verletzte sich jedoch beim Schlittern so stark in der Leiste, dass er an den Rollstuhl gebunden war. Am 23. Mai 1918 wurde er mit der Familie nach Jekaterinburg transportiert und dort bis zu seinem Tod in der Villa Ipatjew in stark bewachter Gefangenschaft gehalten.
In der Nacht zum 17. Juli 1918 wurde er im Alter von 13 Jahren mit der restlichen ehemaligen Zarenfamilie erschossen. Das erste Erschießungskommando tötete Nikolaus, die Zarin und die beiden männlichen Bediensteten. Der Junge blieb trotz Schüssen auf ihn am Leben und die Mörder versuchten, ihn mehrmals mit Bajonetten zu erstechen. Unbemerkt von den Mördern, war der Oberkörper des Zarewitsches durch ein Hemd, in dem kostbare Edelsteine waren, welches er unter seinem Gewand trug, geschützt. Der für die Exekution verantwortliche Offizier berichtete, dass dem Jungen zwei Mal in den Kopf geschossen wurde, bis er endgültig verstummte.

Ein kleiner Nachsatz, der eine Ergänzung zum Buch darstellen soll:

Der Verbleib der sterblichen Überreste Alexeis und seiner Schwester Maria war bis 2007 ungewiss, denn sie wurden bis dahin bei der Ausgrabung trotz großangelegter Suche nicht gefunden. Im Sommer 2007 wurden jedoch von einem Archäologenteam die sterblichen Überreste von Alexei und seiner Schwester Maria gefunden. Die Stelle war übrigens im Bericht des Leites des Exekutionskommandos genau angegeben! Das Ergebnis der DNA-Analyse, welches am 30. April 2008 veröffentlicht wurde, bestätigte, dass es sich bei den Knochen zweifelsfrei um die Gebeine von Alexei und Maria handelt.

Am 20.08.2000 wurde Alexei zusammen mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und weiteren 1.100 Personen, den Neumärtyrern, von der Russisch-Orthodoxen Kirche, heiliggesprochen.

Meine Meinung

Eine weiteres interessantes Buch von Elisabeth Heresch, das über weite Strecken einen intimen Einblick in das Leben der Zarenfamilie und natürlich besonders in das des kleinen Zarewitsch bietet.
Das Buch, obwohl es im Grunde eine Ergänzung zur übrigen Literatur Heresch über die Zarenfamilie ist, wurde sehr tiefgehend verfaßt und läßt emotional keinesfalls unberührt. Man ist in der Lage sich in das Leben des kleinen Zarewitsch hineinzuversetzen und leidet sein Schicksal mit.
Für den interessierten Leser unbedingt zu empfehlen!

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