Ich hatte in den vergangenen Tagen einen Zeitabschnitt aus meiner Heimatstadt bearbeitet, von dem man getrost sagen kann: "Was war denn das für ein braunes Kaff!"
Meine Augen wurden allmählich so groß wie Untertassen, so viele interessante Informationen in einem kleinen Abschnitt!
Ich hatte in meiner manchmal vorhandenen Naivität geglaubt, dass es in der Zeit vor 1933 zwar in den großen Städten zwischen den politischen Parteien hoch her ging, um es einigermaßen freundlich zu sagen, aber auf dem Land, oder wenigstens im ländlichen Bereich, so etwas wie eine sittsame beschaulich - ländliche Ruhe herrschte. Bah, weit gefehlt! Obwohl, ich hatte auch schon Oskar Maria Graf gelesen... Ich denke da an folgende Werke:
Oskar Maria Graf: "Anton Sittinger" 193
Graf, Oskar Maria - Einer gegen Alle
Wie ich bereits gestern schrieb, hatte ich, ich wiederhole es noch einmal, in meiner Naivität geglaubt, dass es zu Beginn des Nationalsozialismus nur in den großen Städten, bzw. Ballungszentren hoch her ging. Natürlich hatte ich von den Freikorps gelesen, allen voran das Freikorps Oberland. Es war nicht nur zahlenmäßig das größte Freikorps, sondern auch am besten organisiert. Die Männer waren nicht von Pappe, salopp ausgedrückt, und schreckten auch nicht vor Gewalttätigkeiten zurück. Eigentlich war es eine gesetzlose Zeit, eine Art Bürgerkrieg und man konnte getrost vom "Wilden Deutschland" statt vom "Wilden Westen" sprechen.
Ein paar Bilder dazu:
https://s-media-cache-ak0.pinimg.com...0d898dce95.jpg
http://www.br.de/themen/bayern/inhal...?version=6319d
https://www.antifainfoblatt.de/sites...?itok=x6NEkzBd
https://www.historisches-lexikon-bay...srossbach2.jpg
Naja, dachte ich so bei mir, immerhin war meine Heimatstadt ein verschlafenes Städtchen an der bayrisch-württembergischen Grenze, das seit dem Anschluß Schwabens unter Napoleon und dem damit verbundenen Ende der "Reichsstadtherrlichkeit" keinen rechten Aufschwung mehr genommen hatte. Ein Nest eben, oder wie man bei uns etwas unfein sagt: Kaff.
Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, dass hier die Nationalsozialist vor 1933 Fuß gefaßt haben konnten. Doch weit gefehlt! Ich schreibe jetzt die Ereignisse in chronologischer Abfolge.
25.11.1920
- Werbeveranstaltung der NSDAP in Memmingen
23.07.1923
- Im Schiffsaal, einem Nebengebäuder der Brauerei Schiff, auch "Rittmayersches Colloseum" genannt, wurde die Memminger Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Gründungsmitglieder waren der Ingenieur Schmidt, der spätere Polizeioberkommissar von Memmingen, Grimm, sowie die Herren Notz, Steck und Leppert.
- Schon damals wurde gegen die jüdische Bevölkerung gehetzt. Sie wurden als Angehörige einer anderen Rasse bezeichnet und sie wären somit keine Staatsbürger. Für sie würden die sog. "Fremdgesetze" gelten.
Hier Bilder des "Rittmayerschen Colloseums":
http://img.oldthing.net/7580/2099062...-Kolosseum.jpg
http://img.oldthing.net/8867/2462111...-Memmingen.jpg
August 1923
- Gründung der Ortsgruppe "Reichsflagge", die Röhm nahestand. Sie bestand aus ca. 60 Personen, von denen einige Mitglieder Nationalsozialisten waren.
09.11.1923
- Die Stadtausgänge wurden durch Bewaffnete besetzt.
- Bewaffnete Anhänger Hitlers zogen anschließend durch die Stadt
- Die anwesende Notpolizei zeigte Sympathien für die "Natsoz" und ging eher zögerlich vor.
- Es waren bereits Posten für Parteigenossen am Ort vorgesehen.
- Bezirksamtmann Dr. Karcher ließ den SA-Führer Eduard Hail verhaften, der den Plan hatte, nach Kempten zu marschieren um die dortige Reichswehrkaserne zu besetzen.
10.11.1923
Die "Natsoz." waren immer noch nicht entwaffnet.
11.11.1923
- Etwa 300- 400 Mann versammelten sich auf dem Westertorplatz. Anschließend veranstalteten sie einen Zug durch die Altstadt, bei dem Hochrufe auf Hitler skandiert wurden. Erst beim sog. Ficklerschen Hofgut wurde der Zug gewaltsam aufgelöst.
- Die Anführer Naun und Kleyer wurden verhaftet.
- Eduard Hail entkam und versteckte einen Großteil der mitgeführten Waffen.
14.11.1923
Naun und Kleyer wurden wieder entlassen.
ab 1924
- Gründung der Ortsgruppe des deutsch-völkischen Offizierbundes
- Gründung der Ortsgruppe des Frontkriegerbundes
- Gründung der Jugendgruppe Werwolf
- Als Ersatzorganisation der NSDAP wurde der "Stammtisch der deutschen Volksmannen" gegründet.
- Gründung der Ortsgruppe "Völkischer Block". Schmidt, der schon in Erscheinung getreten war, betrieb Agitation und Judenhetze
ab März 1925
- Am 06.03.1925 wurde im Bräuhaus Sönning die Ortsgruppe der NSDAP neu gegründet und zählte 28 Mitglieder.
- Bereits am 27.03.1925 gab es eine öffentliche Versammlung.
- Im Sommer 1925 stieg die Mitgliederzahl auf Grund von Werbetätigkeiten auf 90 Mitglieder an.
Mai 1926
- Die Mitgliederzahl der Ortsgruppe stieg von 90 auf 180 an.
Im Sommer 1926 tritt eine der glutvollsten Erscheinungen an: Wilhelm Schwarz.
Wissenswertes zu Wilhelm Schwarz.
Wilhelm Schwarz (* 2. April 1902 in Memmingen; + 25. Januar 1975 Memmingen) war ein deutscher Politiker (NSDAP). Er war von 1930 bis 1945 Mitglied des Reichstags.
Schwarz besuchte das St.-Anna-Gymnasium in Augsburg und anschließend die Universitäten in Erlangen und Tübingen, wo er Rechtswissenschaft studierte. Nach dem Studium war er Referendar sowie Assessor und ab April 1930 als Rechtsanwalt wieder in Memmingen tätig.
1919 war Schwarz dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund beigetreten. Von 1921 bis 1923 war er Mitglied des Bundes Oberland, dem Nachfolger des gleichnamigen Freikorps. Eigenen Angaben zufolge will er 1923 "am aktiven Widerstand im besetzten Gebiet" teilgenommen haben.Der SA trat er 1925 bei; am 28. Mai 1926 wurde er Mitglied der Memminger NSDAP-Ortsgruppe (Mitglieds-Nr. 37.394). Zwischen 1927 und 1932 war Schwarz der Bezirksleiter der NSDAP für Memmingen. 1928 trat Schwarz dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ, Mitglieds-Nr. 37) bei. Von 1929 bis 1935 war Schwarz Stadtrat in Memmingen; die ersten vier Jahre führte er die dortige NSDAP-Fraktion.
Im September 1930 erhielt er ein Mandat im Reichstag, das er auch nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten bis 1945 im dann funktionslosen Parlament innehatte.
Seit Juni 1934 war er Gauamtsleiter und Gauinspekteur im Gau Schwaben und Mitglied der Akademie für deutsches Recht. 1935 wurde er Ratsherr in Memmingen und 1936 NSDAP-Kreisleiter für den Stadt- und Landkreis Memmingen. Bei Kriegsende flüchtete er aus Memmingen und wurde am 26. April 1945 von amerikanischen Truppen in Markt Rettenbach gefangengenommen und anschließend interniert.
Schwarz wurde im Juli 1948 durch das Landgericht Memmingen zu zwei Jahren Gefängnis wegen Zerstörung der Memminger Synagoge verurteilt. Im Februar 1949 wurde er in der Entnazifizierung als Hauptschuldiger eingestuft und unter Anrechnung der politischen Haft durch die Spruchkammer Memmingen zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt. Im Juli 1950 folgte die Einstufung als Belasteter durch die Berufungskammer. Schwarz wurde mit einem Verbot zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes, einschließlich des Notariats und der Anwaltschaft belegt, welches im August 1958 aufgehoben wurde. Anschließend arbeitete er wieder als Rechtsanwalt in Memmingen.
In den nächsten Beiträgen wird deutlich werden, welche entscheidende Rolle Schwarz im düsteren Teil der Stadtgeschichte eingenommen hat.
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