Mittwoch, 30. November 2016

Der Fall Hinterkaifeck - Teil 19

Bevor ich auf die Vermögens- und Inventurliste in verschiedenen Schritten eingehe, möchte ich einen kleinen geschichtlichen Exkurs über die sichtbaren Vermögensverhältnisse im ländlichen Bereich vorausschicken.

Wer sich mit der Vermögens- und Inventurliste im voraus befassen möchte, kann dies hier tun: Das Protokoll des Staatsanwaltes Pielmayer von 1926 - www.hinterkaifeck.net und zwar ab folgendem Absatz: Ersuchen an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Schrobenhausen

Im Grund haben sich die Zeiten nicht geändert und es war schon damals üblich, je nach Gegend und Reichtum des Bauern, seine Vermögenswerte auch nach außen zu zeigen, ja eigentlich zu demonstrieren.
Neben einem gut gepflegten und stattlichen Anwesen, das man leider nicht mitnehmen und vorzeigen konnte, gab es eine Reihe von Möglichkeiten, auch außerhalb zu zeigen, dass man etwas darstellte.

Dazu gehörte, damals wie heute, der "fahrbare Untersatz". Wer heute im teuren Wagen der Spitzenklasse vorfährt, tat das damals mit Pferden und Kutsche. Zum Kirchgang, in die Stadt, sichtlich wurde Reichtum und Vermögen hergezeigt. Die Pferde, welche die Kutsche zogen, dienten nicht zur Arbeit auf dem Feld, sondern wurden vom Bauern zu seinem Privatvergnügen unterhalten. Ein kleines Beispiel dazu: im Siebenbürgen und Banat, dort waren bis Ende des II. Weltkriegs deutschstämmige Bauern ansässig, auch Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben genannt, die vierspännig zum Arzt fahren konnten und damit schon einen gewissen Neid hervorriefen.
Bilder zur Siebenbürger Tracht kann man hier sehen:
http://www.siebenbuerger-bw.de/buch/...bild/s164b.jpg
http://freepages.genealogy.rootsweb....off/tracht.jpg
http://www.willmersreuth.de/tracht/bilder/zug_10.jpg

Es gab natürlich auch Arbeitspferde, die sog. Kaltblüter. Ein Bauer, der mit Pferden statt mit Ochsen pflügte, verfügte demnach schon über eine gewisse finanzielle Grundlage.
Ganz glücklich und finanziell gut gestellt, wer sich, z.B., ein Traktormodell dieser Reihe leisten konnte:http://upload.wikimedia.org/wikipedi...dson_No._1.jpg

Auch der Viehbestand im Stall war wichtig, denn die Viehhändler, die auch häufig als Heiratsvermittler fungierten, waren eine gute Informationsquelle. Wer also gute Milchkühe besaß und sogar einen Stier, der auch noch Preise bei einer landwirtschaftlichen Messe gewonnen hatte, war ein sichtbares Zeichen für Wohlstand.

Womit man sein Vermögen aber mit am besten zur Schau stellen konnte, war, damals wie heute, die Kleidung und der dazugehörige Schmuck.
Daraus entwickelte sich über Jahrhunderte die Tracht, die aber wieder verschiedenen Abstufungen unterlag. Man konnte nicht nur ledigen Mädchen und Jungen unterscheiden, sondern auch die verheirateten Frauen und Männer. Dabei trug aber nicht jede Person das gleiche, also kein "tragen von der Stange", sondern es gab Unterschiede in Stoffen, von Leinen bis Brokat, Schnitten, Hüten, Hauben, Tüchern und selbstverständlich dem Schmuck, angefangen vom Ohrring bis hin, z.B., Gamsbart.
Je reicher die Gegend, umso reicher die Kleidung, vor allem der Frauen.
Sehr leicht läßt sich das, z.B., an der Ochsenfurter Tracht erkennen. Ursprünglich war die Gegend um Ochsenfurt eine arme Gegend, bis der Zuckerrübenanbau kam. Da wurde die Kleidung reicher, üppiger, anspruchsvoller. Im Anhang zeige ich einmal die Ochsenfurter Tracht vor und einmal nach Einführung des Zuckerrübenanbaus. Der Unterschied springt förmlich ins Auge!
Wichtig auch der dazugehörige Schmuck. Die Ohrringe der Frauen, der Halsschmuck, die Uhrengehänge der Männer. Silberketten wurden verwendet, alte Münzen eingearbeitet, Halbedelsteine verarbeitet.
Selbst beim Kirchgang gab es verschiedene Rosenkränze. Vom einfachen Holzrosenkranz bis hin zum filigranen Silberrosenkranz. Im Anhang kann man so einen Rosenkranz betrachten.

Und nicht zu vergessen: der Kammerwagen, also das, was die zukünftige Frau an Aussteuer mitbrachte.
Hier kann man verschiedene Kammerwägen betrachten:
http://www.meaus.com/112-kammerwagen-zindel.JPEG%20
http://media05.myheimat.de/2009/05/2...jpg?1242898894
http://images-01.delcampe-static.net...59_001.jpg?v=1
http://www.seltene-ansichtskarten.de...0018363_z1.jpg
http://www.br.de/unternehmen/inhalt/...?version=4bc40
Neben Geld und etwas Vieh war das die Möglichkeit, den Reichtum und das Vermögen der zukünftigen Frau zu zeigen. Es wurde auch Muttergut genannt und die spätere Bäuerin konnte darüber verfügen. Für die Erstellung des Kammerwagen wurde viel Sorgfalt verwendet. Dazu gehörte vor allem der Hochzeitsschrank, der mit Wäsche, Borten, Spitze u. ä. gefüllt war.
Hier Hochzeitsschränke zur Ansicht:
http://www.kunst-antikboerse.com/bil...bote/618_a.jpg
http://www.kunst-antikboerse.com/bil...bote/963_a.jpg

Der kleine Exkurs war aus meiner Sicht nötig, um die Rückschlüsse besser nachvollziehen zu können, die ich aus der Vermögens- und Inventarliste ziehen werde.
Dabei gilt es nach wie vor zu beachten, dass es sich beim Donaumoos um eine damals, der Spargelanbau war noch nicht eingeführt, arme Gegend handelte.

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