Die Schulzeit der beiden Prinzen ist eigentlich hinlänglich bekannt, doch lohnt sich ein Vergleich.
Wilhelm wurde ab 1866 von dem strengen Calvinisten Dr. Georg Hinzpeter erzogen und beschreibt diese Zeit als eine recht unglückliche Kindheit.
Zudem trat er im üblichen Kadettenalter, 10 Jahre jung, in das 1. Garderegiment zu Fuß als Leutnant ein. Dem war natürlich die übliche Kadettenausbildung, ohne die geringste Rücksicht auf seinen Arm, vorausgegangen.
Ab 1874 besuchte er, zusammen mit seinem Bruder Heinrich, auf Wunsch der liberalen Eltern ein bürgerliches Gymnasium. Die Schulleitung, die nicht wusste, wie sie ihn anreden sollte, schließlich war er kein Bürgerlicher, wählte schließlich die Anrede „Wilhelm von Preußen“.
Dr. Hinzpeter begleitete ihn nach Kassel. 1877 legt er dort das Abitur ab. Sein Studienwunsch ist eindeutig: Rechts- und Staatswissenschaften.
Der Volksmund sagt, dass das Gegenteil von gut nicht böse, sondern gut gemeint ist. Das zeigte sich auch bei Wilhelm. Der schüchterne, ängstliche Jugendliche wandelt sich in dieser Zeit, natürlich umschmeichelt von seinen Mitschülern, die sehr wohl wussten, wer da mit ihnen die Schulbank drückte, zu einem selbstbewussten jungen Mann, der an seine Eltern ziemlich hochmütige Briefe schreibt, aber nicht nur das.
Sein Erzieher, an den Gehorsam seines Zöglings gewöhnt, wird ihm in keiner Weise mehr Herr. Wilhelm tut nur noch das Nötigste und bekennt sich auch freimütig dazu: „ Ich hatte an diesem Tag weitaus mehr als mein Pensum gearbeitet und erwartete Lob von meinem Erzieher. Doch er sagte nichts, sondern nahm es als selbstverständlich hin. Doch ich wollte dieses Lob, hätte es dringend gebraucht, um angefeuert zu werden. Aber es blieb aus und so tat ich gar nichts mehr.“
Bei näherem Hinsehen eine durchaus verständliche Reaktion, eben wie ein typischer Teenager….
Am 9. Februar 1877 tritt Wilhelm seinen aktiven Militärdienst in Potsdam an. 1880 wird er zum Hauptmann befördert. Bis 1888 ist er Kommandeur in wechselnden Regimentern.
Er fühlt sich beim Militär wohl und findet dort die ersehnte Anerkennung. Möglich, dass hier der Keim für seine beinahe kindliche Uniformliebe gelegt wurde, sie war ein Zeichen seiner Verbundenheit.
Ab 1877 bis 1877 nimmt der Prinz parallel zum Militärdienst ein viersemestriges Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn auf. Außerdem hört er Vorlesungen über Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte und Naturwissenschaften.
Außenpolitische Studien und Weiterbildungen, gefördert durch seinen Großvater und Bismarck, schließen sich an.
Das war die von Kronprinz Rudolf vielbeneidete Schul- und Studienzeit Wilhelms!
Sie war gut gemeint….
Der junge Kronprinz Rudolf sollte auf Wunsch des Vaters eine harte militärische Ausbildung erhalten. Der Sohn sollte ein guter Soldat, begeisterter Jäger und braver Katholik werden. Generalmajor Leopold Graf Gondrecourt wurde als Erzieher bestimmt, doch der Mann war für dieses Amt denkbar ungeeignet.
Ab 1864 war er Joseph Latour von Thumburg Mitarbeiter von Graf Leopold Gondrecourt. Damit war Latour mit für die zivile Erziehung des Kronprinzen zuständig. Im Gegensatz zu Gondrecourt hielt Latour nichts von militärischen Erziehungsmethoden. Er informierte daher die Kaiserin über die schlechte Behandlung ihres Sohnes. 1865 wurde Gondrecourt nach einem Ultimatum der Kaiserin entlassen. Sie übergab die Erziehung Josef Latour, der, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, eher liberal eingestellt war.
Latour wählte vorzügliche Lehrer für seinen Zögling aus, zu denen u.a. Zhisman, Menger und der Tierforscher Alfred Brehm gehörte. Dieser förderte Rudolfs naturwissenschaftliche Interessen und aus Rudolf wurde ein anerkannter Hobby-Ornithologe, da ihm ein dementsprechendes Studium nicht erlaubt war und wahrscheinlich auch nicht nützlich gewesen wäre, da er den „Herrscherberuf“ hätte ausüben müssen.
Nach Aussage seiner Lehrer war Rudolf ein wissbegieriges und lerneifriges Kind und von schneller Auffassungsgabe, hatte aber wenig Interesse an Lesen, Schreiben und Fremdsprachen. Auch dass er in religiösen Dingen nachlässig war, gab immer wieder Anlaß zur Kritik.
Im Juli 1877 endete Rudolfs Studienzeit, er wurde mit den obligaten Festlichkeiten im Rahmen seiner Großjährigkeitserklärung geehrt. Als Zeichen der Anerkennung erhielt Rudolf von seinem Vater das Großkreuz des St.-Stephans-Ordens.
Als Begleiter wurde Rudolf Graf Charles Bombelles zur Seite gestellt,was Bismarck auf den Plan rief. Er befürchtete den ultramontanen Einfluß des Mannes auf den jungen Kronprinzen.
Auch Rudolf mochte sich zunächst gar nicht mit dem Gedanken anfreunden und trauerte seinem „lieben Alterle“ Latour nach.
Rudolf durfte, sozusagen als Trostpflaster, mehrer Reisen unternehmen: nach Korfu, in die Schweiz, nach England.
Schließlich änderte sich Rudolfs Lebensstil schlagartig. Er, der stolz war, hinter Büchern zu sitzen und Abhandlungen zu schreiben, ließ sich nun zu adligen Vergnügungen locken: Jagd, reiten, Hundezucht, schöne Frauen und darin auch noch bestärkt, sich auszuleben.
Zudem übersiedelte er 1878 nach Prag, um im Infanterieregiment Nr. 36 seinen Militärdienst zu leisten.
Wie man sieht, sind die Schul- und Studiengänge der beiden jungen Prinzen sehr unterschiedlich.
Während die Ausbildung Wilhelm schon darauf ausgerichtet war, später zu regieren, war es bei Rudolf zwar eine vorzügliche liberale Ausbildung, aber er wurde von jeglicher Ausbildung, oder Praktika, im Regierungsbereich ausgeschlossen.
Vielleicht hätte die Ausbildung auf einem bürgerlichen Gymnasium Rudolf doch gut getan. Denn Wilhelm entwickelte dort nicht nur ein außerordentliches Selbstbewusstsein, sondern er wurde auch umschmeichelt, hofiert.
Rudolfs Selbstbewusstsein wäre dort auch gestärkt wurden und er hätte sich, wenn schon nicht gegen seinen Vater, doch immerhin gegen die teilweise feindlich eingestellte Hofkamarilla und Verwandtschaft besser wehren können: es kommt die Zeit, da bin ich ihr Kaiser, vielleicht schon morgen!
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