Jetzt sind wir bei einem weiteren Punkt angelangt, an dem sich zwei Personen widersprechen: Dr. Müller und Dr. Grashey.
Dr. Müller berichtet in seinen Erinnerungen, dass er angeblich mehrmals in der Nacht wegen des Königs geweckt wurde.
Das erste Mal, als der König seine Kleider verlangte. Dr. Müller will ihn dann gemaßregelt haben, indem er ihm erklärte, er bekäme seine Kleider nicht, Dr. Gudden habe angeordnet, ihn schlafen zu lassen.
Das zweite Mal, als der König seine Socken verlangte, ihm war kalt und etwas zu essen wollte. Er bekam die Socken und eine Kleinigkeit zu essen.
Dr. Müller berichtet abschließend, der König hätte sehr unruhig geschlafen und viel geträumt.
In den Erinnerungen von Dr. Grashey findet sich nichts dergleichen. Er berichtet nur, dass sich der König einwandfrei und fügsam benommen habe. Über die Nachtruhe des Königs findet sich nur, dass er anscheinend gut geschlafen habe.
Auch Oberpfleger Mauder berichtet nichts, Dr. Gudden auch nicht.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich Dr. Müller, eine etwas zwielichtige Person, wie sich noch zeigen wird, sehr wichtig nimmt. Es wird wahrscheinlich eher so gewesen sein, dass sich nach dem Mittagessen alle, bis auf die wachhabenden Pfleger, das Hofpersonal und die Gendarmen, zum schlafen gelegt haben, da der vergangene Tag und die vorherige Nacht sehr anstrengend waren. Glaubhaft ist lediglich der Wunsch des Königs nach Socken, sowie Wunsch nach einer Kleinigkeit zu essen.
Man wollte wahrscheinlich erst am nächsten Tat, dem 13. Juni, den alltäglichen Betrieb aufnehmen.
Wie schon im vorherigen Beitrag erwähnt, erwachte der König etwa gegen sechs Uhr und wollte duschen. Der Wunsch wurde unverzüglich erfüllt und der "Waschapparat" wie man die Dusche nannte, hergerichtet. Es war natürlich keine moderne Dusche in unserem Sinn, sondern ein großer, mit warmen Wasser gefüllter Behälter, in den der König stehen konnte. Es standen zwölf Eimer mit warmen und kaltem Wasser bereit, das sich der König über den Körper schütten ließ. Die klassische Wechseldusche, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Dann ließ er sich abfrottieren, ankleiden und frisieren, anschließend gab es ein reichhaltiges Frühstück, bei dem den Wünschen des Königs entsprochen wurde.
Dann äußerte der König die Bitte, zur Messe, es war immerhin Pfingstmontag, gehen zu dürfen.
* Die Quellen berichten von der Kirche in Aufkirchen, zu welcher der König mit der Kutsche hätte fahren müssen.
* Die Kirche der Ortschaft Berg kam nicht in Frage, da die Stimmung in Berg explosiv war. Graf beschreibt in seinem Buch "Das Leben meiner Mutter", wie sich die Bewohner zu Messe, wie an jedem Sonn- und Feiertag, einfanden und von ihrem Pfarrer, der sonst mit seiner Meinung auch nicht hinter dem Berg hielt, einige Worte erwarteten. Aber der Pfarrer war kein Held, er sagte nichts, sondern betete statt "Wir beten für unseren Landesvater König Ludwig II." "Wir beten für das erlauchte Königshaus". Die Menschen in ihren Betstühlen machten ein noch finstereres Gesicht und beteten nicht mit.
* Hofrat Klug macht später die Aussage, er hätte den König am 12. Juni (!!) gefragt, ob er in seiner eigenen Kapelle, die er seit 1875 nutzte, denn am Pfingstmontag eine Messe lesen lassen wolle. Das hätte der König verneint und auf den nächsten Sonntag verwiesen.
Wie hätte der Hofrat anfragen wollen? Am 12. Juni war der König bereits in den Händen der "Fangkommission" und es durfte ihn kein Außenstehender sprechen.
Der König war persönlich ein gläubiger und frommer Mann, er wollte bestimmt zur Messe gehen, eben in seiner "Königskapelle". Das hätte sich selbst in der kurzen Zeit arrangieren lassen, entweder am späten Vormittag oder als Abendmesse.
Aber dieses Verhalten ist bezeichnend: selbst einem Schwerverbrecher oder zum Tode Verurteilten gestand man geistlichen Beistand zu, nur dem König nicht. Er war in den Augen der Verantwortlichen ein großer Sünder, unwürdig zur Messe zu gehen. Was hätte ein Geistlicher auch tun wollen? Er hätte dem König nicht helfen können, nötigenfalls hätten Pfleger oder Ärzte selbst an der Messe teilnehmen können, bzw. die Kapelle von Gendarmen bewacht werden.
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