Nachdem Hucki sich dankenswerterweise schon explizit mit den Fußspuren und den Hüten auseinander gesetzt hat, gehe ich heute auf die Schirme und die Röcke des Königs ein.
Blicken wir auf das Szenario, wie es die offizielle Version darstellt.
Der König, ungeachtet seines Begleiters Gudden, rennt blitzartig über die kleine Lichtung in Richtung Seeufer, um sich entweder zu ertränken oder zu fliehen.
Gudden wirft bei der Verfolgung als Erster den Schirm weg, während dies der König erst am Seeufer tut.
Dann hängt sich Gudden, der den Fliehenden aufhalten will, selbst in Jacket und Mantel, wie eine Krabbe an den Rücken des Königs, um ihn aufzuhalten. Doch der König schlüpft aus Mantel und Jacke, gleichzeitig, dann geht er ins Wasser.
Das liest sich so spannend wie ein Märchen und ist ebenso unwahr.
Warum sollte der König erst mit Schirm, Hut und Mantel an das Seeufer rennen?
Das macht doch kein Mensch. Jeder würde zuerst den Schirm und den Hut wegwerfen, dann den Mantel ausziehen und zuletzt das Jackett. Da geht auch nacheinander, wenn man rennt. Alles abwerfen, was hinderlich sein könnte.
Oder den Schirm in der Hand wie einen Schlagstock nutzen, Schläge auf den Kopf, ins Gesicht, auf den Körper, egal wo, nur, damit der Verfolger zu Boden geht, ohnmächtig wird, vor allem nicht um Hilfe rufen kann!
Gudden wirft zwar den Schirm weg, behält aber Mantel, wir dürfen davon ausgehen, dass der selbst einen über dem Jackett trug, an und auch der Zylinder bleibt auf.
Dann erreicht er den König und zerrt ihn so am Mantel, dass es dem König gelingt, aus zwei Kleidungsstücken gleichzeitig zu schlüpfen.
Selbst zu diesem Zeitpunkt hat sich noch kein Zweikampf entwickelt, sondern der findet erst in 1,28 m Wassertiefe statt.
Haarsträubend diese Schilderung!
Versetzt man sich in die Lage des Königs, der den Park von Schloß Berg, auch die Zugänge zum See wie seine Westentasche kannte, dann ist es nur logisch, dass er zu einem günstigen Zeitpunkt fliehen wollte und zwar schnellstmöglich.
In Gesprächen, auch auf dem ersten Spaziergang, wickelt er Gudden mit Charme, Freundlichkeit und der Besorgnis, man könnte ihm etwas antun, ein. Gudden ist geschmeichelt und schreibt noch am gleichen Tag an seinen berühmten Kollegen Krafft-Ebing einen Brief, in dem er u.a. äußert:
"Der König vertraut mir. Er liebt mich, denn er ist sehr freundlich zu mir."
Den Pfleger Mauder frägt der König, wieviele Gendarmen im Park seien. Mauder gibt bereitwillig Auskunft. Die nächste Frage des Königs lautet, ob sie denn geladen hätten und auf ihn schießen würden. Mauder antwortet, sie hätten gar nicht geladen. Der König weiß nun Bescheid.
Als Gudden sich mit dem König auf den zweiten Spaziergang macht, jammert er zwar, dass der König mit seinen Fragen so anstrengend sei, aber man sähe sich spätestens um acht Uhr zum Souper (ohne funktionierende Uhr?). Dann kommt der entscheidende Befehlt Guddens: "Es darf kein Pfleger mitgehen!"
Es ist früher kolportiert worden, dass dieser Befehl auf Wunsch des Königs gegeben wurde oder der Pfleger den Anweisung Gudden mißverstanden habe, es sei lediglich gemeint gewesen, dass der Pfleger in der Distanz zurückbleiben solle. Doch es ist eindeutig bewiesen, dass Gudden diese Anordnung von sich selbst aus gegeben hatte und zwar unmißverständlich!
Eine zeitgenössische Darstellung, wie der König und Gudden gekleidet waren. Der Befehl Guddens wurde allerdings schon an der Türe gegeben, wahrscheinlich außerhalb der Hörweite des Königs.

Quelle: https://quh-berg.de/wp-content/uploads/P1110401.jpg
Um nun zu den ineinander steckenden Kleidungsstücken des Königs zu kommen: aus Mantel und Jackett/Blazer zu schlüpfen, ist schwierig, auch wenn jemand daran zerrt, oder sich gar einkrallt. Dieser Jemand wird dann sofort abgewehrt und zwar mit einem Schlag oder Schlägen, dass er abläßt oder sogar zu Boden geht. Selbst dann entledig man sich zuerst des Mantels und dann des Jacketts/Blazers. Beides gleichzeitig auszuziehen ist schwierig und zeitraubend, Zeit hat man aber nicht auf einer Flucht. Ich habe es selbst ausprobiert, wenn man Mantel und Blazer gleichzeitg ausziehen will, das ist beinahe unmöglich.
Und einem großen Mann wie es der König war, zerrt ein wesentlich kleiner Mann an der Kleidung. Reaktion: Abwehr! Ich habe es bei meinem Sohn, er ist 1,90m groß, von hinten versucht (ich bin 1,62m groß), Fehlanzeige! Und Gudden soll dabei selbst im Mantel gewesen sein und der Zylinder blieb die ganze Zeit auf dem Kopf? Selbst im Wasser, in dem der angebliche Zweikampf stattgefunden hat, war der alte Mann im Mantel beweglich?
Diese zeitgenössische Darstellung ist da realistischer. Aber da fehlen der Zylinder, der doch zusammen mit dem Hut aufgefunden wurde und der Mantel Guddens. Der findet überhaupt überhaupt gar keine Erwähnung!

Quelle: http://www2.psykl.med.tum.de/media/fotos/Lugu_komp.jpg
Nebenbei: der Größenunterschied zwischen dem König und Gudden ist geschönt. Wenn sich Gudden aufrichten würde, wäre er annähernd so groß wie der König, mindestens 1, 80m. Gudden war aber nur 1,62 m groß und bei weitem nicht so kräftig, wie dargestellt. Aber ein bischen Dramatik mußte wohl auf dem Bild sein und gleichzeitig die Überlegung ausgeschaltet sein, die sich ein aufmerksamer Betrachter gemacht hätte: wie kann ein viel kleinerer und schmächtiger Mann einem gewichtigen Riesen ins Wasser nacheilen? Ich täte das nicht.....
Aber Gudden sollte als Held dargestellt werden.
Als am nächsten Tag, genauer am Vormittag, Otto Schleussinger mit seinem Freund im Schloß war, um heimlich die Leichen zu sehen, hingen Hut und Mantel des Königs an der Garderobe und waren unauffällig. Nach Stunden im Wasser hätten Hut und Mantel vor Nässe triefen müssen, denn sie wurden mal im Schilf, mal im Wasser gefunden!
Also: die Geschichte kann man mit den Händen greifen...
Im nächsten Beitrag komme ich zur Auffindesituation der Leichen.
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