Sonntag, 29. Juli 2018

König Ludwig II. Tod - ein vertuschter Kriminalfall? - 22. Teil

Nachdem der König verhaftet wurde, um Graf Holnstein zu zitieren, begeben sich alle in den Innenhof von Neuschwanstein. Dort warten schon Wagen und Pferde, wobei der König beim Anblick der ihm zugedachten Kutsche bemerkt, dass er sich einen etwas bequemeren Wagen gewünscht hätte.
Um 04:15 Uhr beginnt die Abfahrt nach Schloß Berg.
Im ersten Wagen befinden sich die Oberregierungsräte v. Müller und Koppelstädter, sowie der Stallmeister Lenfeld.
Im zweiten Wagen fahren der Assistenzarzt Dr. Müller, Kammerdiener Mayr und die zwei Pfleger Braun und Schneller.
Im dritten Wagen, einem Sicherheitsfahrzeug, sitzt der König alleine. Die Türgriffe sind innen abmontiert, die Türen können nur von außen geöffnet werden. Im Wagen sind Vorrichtungen angebracht, um Arme und Beine fixieren zu können. Neben dem Wagen reitet der ehemalige königl. Vorreiter Fritz Schwegler, der den Auftrag hat, den König zu beobachten und beim geringsten verdächtigen Zeichen Meldung zu machen. Man würde dann augenblicklich anhalten und sich um den König "kümmern".
Im vierten Wagen sitzen Dr. Gudden mit den Pflegern Mauder und Hack, sowie dem Gendameriehauptmann Horn.

Ludwig wischt die Fensterscheibe ab und schaut hinaus. Draußen stehen, trotz des Regens, Menschen, sie schreien und weinen. Der König winkt hinaus.
Wachtmeister Boppeler, der dem König treu ergeben war, spricht von einem Leichenzug.

Die achtstündige Fahrt verläuft bei strömendem Regen ohne besondere Vorkommnisse.
Die Route verläuft über Schwangau, Buching, Halblech, Trauchgau, Steingaden (Pferdewechsel), Peiting, Peißenberg (Pferdewechsel), Seeshaupt (Pferdewechsel), Ambach, Holzhausen, Münsing, Berg.
Außerdem sind an jeder Station zwei Gendarmen anwesend und auf der Fahrtroute Nachtpatrouillen eingesetzt.

Auch in der Ortschaft Berg und dem Schloß ist man nicht untätig geblieben.
Der Schmied Leibfinger war geholt worden, um verschiedene Türklinken im Schloß zu entfernen. Er berichtet, obwohl er verpflichtet wurde, zu schweigen, dass man in die Türen Löcher gebohrt hatte.
Fremde Reiterei ist angekommen und verstärkte Gendamerieabteilungen haben sich eingefunden. Vor der Schloßmauer und dem Schloßtor marschieren fremde Wachen. Sie treiben die Leute auseinander und am Abend des 12. Juni kommt in jedes Berger-Haus ein höherer Polizeibeamter, der von zwei Gendarmen begleitet wird. Er gibt folgende Befehle: 

- nach Einbruch der Nacht ist es verboten, die Straße zu betreten
- ebenso Besuche zu machen
- außerdem darf man sich nicht im Wirtshaus aufhalten
- bei Tag darf man sich weder in der Nähe der Schloßmauern aufhalten, noch am oberen Parkzaun

Vor Seeshaupt hält plötzlich der Wagen des Königs. Dr. Gudden eilt zum König, der aber lediglich austreten muß und sich die Beine vertreten möchte. Nach einer Viertelstunde wird die Fahrt fortgesetzt.
Während des Umspannens in Seeshaupt ist es dem König offensichtlich erlaubt, das Wagenfenster zu öffnen. Sofort versammeln sich etwa 30 Personen, Ortseinwohner und Sommerfrischler, um den Wagen. Der König grüßt freundlich.
Während seine Begleitung zur Erfrischung Wein trinkt, bittet der König die Posthalterin Anna Vogl, die er von früheren Aufenthalten kennt, um ein Glas Wasser. Sie bringt ihm das Wasser, er unterhält sich kurz mit ihr und sagt, nachdem er das Glas geleert hat, dreimal "Danke!". Die Frau ist erschüttert und bewahrt das Glas als Familienerbstück auf.
Außerdem ist sie die letzte Zeugin außerhalb des Schlosses Berg, die den König noch lebend gesehen hat.


Nachbemerkung:

Wenn man sich mit dem nüchternen Sachverhalt vertraut macht, kann man nur sagen, dass sich diese Leute ihres Unrechts, ihres Gesetzesbruchs, des Staatsstreichs, sehr wohl bewußt waren.
Die Angst muß sehr groß gewesen sein, dass der König hätte fliehen können oder Menschen ihn befreien konnten.

Allein die Kutsche des Königs, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, das hier ein Staatsfeind transportiert wurde. Wenn die Gefahr des Selbstmord gegeben gewesen wäre, dann hätten wohl eher Pfleger im Wagen sitzen müssen. Und wie wollte der König denn auch Selbstmord verüben? Sich aus der fahrenden Kutsche werfen? Das hätte Verletzungen nach sich gezogen, weniger den Tod. Außerdem: mit dem zerbrochenen Fensterglas hätte der König eher die Möglichkeit gehabt, sich die Halsschlagader zu verletzen. Das führt auch heute noch zum Tod und damals hätten die Anwesenden auch nicht mehr tun können als beten. Wer sagt denn, dass nicht zumindest die Beine des Königs fixiert waren? Es hat ja niemand aus der Bevölkerung sehen können.

Dann die Wachen an den Wegstationen, an denen die Pferde gewechselt wurden und die Nachtpatroullien, das spricht eine beredte Sprache.

Es ist auch nirgends die Rede davon, dass dem König erlaubt wurde, irgendeinen persönlichen Gegenstand mitzunehmen, wie etwa ein Buch, eine Miniatur, ein Foto, ein Gebetbuch oder einen Rosenkranz. Er selbst besaß ein schönes Gebetsandenken, "Das betende Jesuskind", ein Geschenk seines Onkels Adalbert, das sein ständiger Begleiter war.

Das man hier einen Verrückten, einen Geisteskranken, transportiert hat, ist nur einen fadenscheinige Ausrede, denn einen Kranken behandelt man mit Schonung und Wohlwollen, sorgt schon auf der Fahrt für Verpflegung, läßt ihm einen vertrauten Gegenstand im Besitz. So hat man einen Menschen in eine Kutsche gesteckt, ihn wahrscheinlich teilweise fixiert und sich ansonsten um nichts gekümmert, denn das Internierungsgebäude, Schloß Berg, sollte umgehend erreicht werden.

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