Sonntag, 14. Mai 2017

Böll, Heinrich - Haus ohne Hüter

Der Autor

Heinrich Böll wurde am 21. Dezember 1917 als achtes Kind des katholischen Kölner Schreiners und Holzbildhauers Viktor Böll und dessen zweiter Ehefrau Maria geboren.

Nach dem Abitur (1937), einer Ausbildung in einer Buchhandlung in Bonn und dem Reichsarbeitsdienst fing Heinrich Böll im Sommer 1939 an der Universität Köln ein Germanistikstudium an. Einige Monate später wurde er zur Infanterie einberufen. Im März 1943 heiratete er die Lehrerin Annemarie Cech. Im Jahr darauf erlag seine Mutter nach einem Fliegerangriff auf Köln einem Herzinfarkt. 1945 geriet er vorübergehend in amerikanische und britische Kriegsgefangenschaft.

Nach dem Krieg nahm Heinrich Böll das Studium wieder auf und verdiente den Lebensunterhalt zunächst mit Gelegenheitsarbeiten. Mit der Veröffentlichung seiner Kurzgeschichte "Der Zug war pünktlich" begann er 1947 eine Karriere als Schriftsteller. Vier Jahre später zeichnete die "Gruppe 47" ihn für seine satirische Erzählung "Die schwarzen Schafe" mit einem Preis aus. Viele seiner Geschichten handeln von Außenseitern, die den Krieg nicht vergessen können, während die Konformisten um sie herum nicht daran erinnert werden wollen und die Gesellschaft das Wirtschaftswunder feiert. Damit wurde Heinrich Böll nicht nur zu einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Nachkriegs- und Trümmerliteratur, sondern auch zu einem der meistgelesenen Autoren der Bundesrepublik Deutschland. Von 1971 bis 1974 amtierte er als Präsident des internationalen P. E. N.-Clubs. 1972 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Eine Kunst um ihrer selbst Willen lehnte Heinrich Böll ab; er forderte vom Schriftsteller kritische Stellungnahmen zur Gesellschaft und Zeitgeschichte.
Deshalb müsse die Literatur auch einem breiten Publikum verständlich sein, meinte er. Heinrich Böll löste diese Forderung ein und engagierte sich auch politisch. Im Bundestagswahlkampf 1969 warb er für Willy Brandt. Dass er sich 1972 für eine sachliche Berichterstattung über die RAF und Ulrike Meinhof einsetzte, wurde ihm von vielen Bundesbürgern schwer verübelt; einige verunglimpften ihn sogar als Sympathisanten der Terroristengruppe, und sein Wohnhaus wurde von der Polizei durchsucht. 1974 nahm er den aus der UdSSR ausgebürgerten Literaturnobelpreisträger Alexander I. Solschenizyn bei sich auf. Neun Jahre später beteiligte Heinrich Böll sich an der Blockade des US-Militärdepots in Mutlangen und sprach auf der zentralen Friedensdemonstration am 22. Oktober in Bonn.

Heinrich Böll starb nach langer Krankeit am 16. Juli 1985 in Langenbroich.

Inhaltsangabe

Zwei elfjährige Knaben, die in einer Stadt der Rheingegend aufwachsen, sind in den Mittelpunkt der Handlung gestellt.
Da ist zunächst die Welt Martin Bachs, die sich nicht nur dadurch von der seines Freundes Heinrich Brielach unterscheidet, daß im Hause Martins das Geld reichlich vorhanden und der Eisschrank gut gefüllt ist; es ist auch der Unterschied zwischen Onkel Albert und Leo. Onkel Albert war der Freund seines Vaters, Raimund Bach, der 1942 in Kalinowka von einem Spähtrupp-Unternehmen nicht zurückgekehrt ist. Anlaß zu diesem sinnlosen Unternehmen war der Befehl eines jungen Leutnants, der feststellen wollte, »ob der Befehl eines Offiziers ausgeführt werden muß oder nicht«. Raimund Bach nahm Albert das Versprechen ab, sich um seinen Sohn zu kümmern. Albert wächst langsam in die Rolle eines unentbehrlichen Freundes hinein und ist so wie anderer Jungen Väter sind. Martins Mutter Nella ist durch den Tod ihres Mannes derart erschüttert, daß sie das Gefühl hat »zu schwimmen«. Sie läßt sich absacken in der Meinung, daß alles mehr oder weniger sinnlos geworden ist. Sie lehnt es ab, von Albert geheiratet zu werden und flieht in eine Scheinwirklichkeit. Doch sie ist bereit, die Geliebte Alberts zu werde.
Es gibt noch andere Personen, die in Martins Welt eine Rolle spielen: Da ist die ältliche Bolda, die Kinoprogramme und Gesangbücher sammelt, Freundin der Großmutter seit der Jungmädchenzeit, als beide noch arm in einem kleinem Dorf der Eifel wohnten. 
Da ist Glum: kahlköpfig, zahnlos, mit seinem guten, eckigen Gesicht, der im KZ gesessen hat.
Und die Großmutter Martins. Sie, die alle vier Wochen ihr Spiel "Blut im Urin" spielt, die schweres und reichliches Essen, fette Suppen, bräunliches, dickflüssiges Zeug,liebt, dessen Geruch in Martin Ekel verursacht.
In dieser Welt der labilen Stimmungen und scheinbaren materiellen Sicherheit wächst Martin auf, verstanden und gestützt eigentlich nur von Onkel Albert.

Heinrich Brielach lebt in einer materiell gefährdeten Welt. Er wurde von der Stunde seiner Geburt an nicht geschont, trieb sich mit fünfeinhalb Jahren auf dem Schwarzmarkt umher, trug später die Lasten des spärlichen Haushalts und erlebte die verschiedenen "Onkel-Kategorien", mit denen sich seine Mutter einließ. Sie hat kein Geld, sich Zahnersatz zu kaufen, bricht schließlich das Verhältnis mit "Onkel" Leo, der mit Heinrichs Mutter ein Kind hat, und wechselt hinüber zum Bäcker, bei dem sie arbeitet, der als fünfter »Onkel« der Onkelreihe erscheint und ihr materielle Sicherheit verspricht. Auf die Frage Martins: "Warum heiraten unsere Mütter nicht wieder?" antwortet Heinrich: "Wegen der Rente, Mensch. Wenn meine Mutter heiratet, bekommt sie keine Rente mehr." Während des Umzuges zum Bäcker wird die ergreifende Armut der Familie offenbar. Onkel Albert erscheint, begreift die Not der Frau und Heinrichs Verlassenheit, so daß die Frau, als sie schon beim Bäcker wohnt noch von der Tröstung lebt, die sie dem Blick Alberts entnehmen konnte.

Meine Meinung

Zunächst einmal schildert Böll einfühlsam und genau den Alltag der beiden Freunde aus wechselnder Perspektive und richtet dabei sein Augenmerk auch auf die Nöte der beginnenden Pubertät. Mit den Schicksalen der Söhne und ihrer Mütter zeichnet er ein eher bedrückendes Bild der Kriegsgeneration und der frühen Nachkriegszeit.

Ich lese den Roman aber auch immer wieder aus dem privaten Blickwinkel. Meine Oma, eine Heimatvertriebene, zwei kleine Kinder, mein Opa im Krieg gefallen, lernte in ihrer neuen Heimat einen sehr netten Mann kennen, der ebenfalls heimatlos war. Er war aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden, konnte aber in seine Heimat, er war aus Ostpreußen, nicht mehr zurück. Die Beiden bauten sich eine kleine, bescheidene Existenz auf und mein Opa, also der Mann, mit dem Oma zusammenlebte, unterstützte auch die Kinder (er selbst hatte keine Kinder und mit Oma zusammen auch nicht).
Als Kind, ich liebte meinen Opa, versuchte man mir klar zu machen, dass dies nicht mein richtiger Opa war. Das sei bestenfalls Onkel Albert, denn mein echter Opa sei im Krieg gefallen und Oma lebe nur mit Albert zusammen. 
Mir stank es damals schon gewaltig, dass die Erwachsenen um mich herum so verlogen waren, denn die meisten hatten auch so ihre "Leichen im Keller", denn leichtsinnigerweise sprach sie in meiner Gegenwart (sie ist doch sowieso ein Kind!) über ihre Vergangenheit. Da gab es schon auch uneheliche Kinder, die gerne vertuscht wurden....wie gesagt, mich ärgerte schon damals die verlogene Scheinmoral.
Ich liebte jedenfalls meinen Opa Albert.
Oma und er blieben jedenfalls bis zu Omas Tod zusammen, immerhin etwas über fünfzig Jahre; Opa starb bald nach Oma.
Wie gesagt: ich mochte dieses verlogene moralische Getue der Erwachsenen als Kind nicht und es hat meinen Blick dafür geschärft, ich lege heute ungeniert den Finger darauf, wenn sich Menschen, im zwischenmenschlichen Bereich, über Andere erheben wollen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen