Verstohlen warf sie ihm über die Tische hinweg Blicke zu und beobachtete ihn, seine Gesten, seine Mimik. Er schien ihre Blicke zu spüren, jedenfalls drehte er sich zu ihr herüber und ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Dann stand er auf und setzte sich neben sie. Das fiel gar nicht auf, da sie in den vergangenen Tagen häufig zusammengesessen und schier endlose Gespräche über alle möglichen Themen geführt hatten.
So war es auch heute und sie diskutierten über das Tagesgeschehen bis hin zu geschichtlichen Themen. Das Interesse der Beiden an Geschichte war groß und eigentlich auch natürlich, denn sonst hätten sie wohl kaum an diesem tagelang andauernden mittelalterlichen Spektakel teilgenommen.
So zog der Abend herauf und die Lagerfeuer wurden entzündet. Das Feuer verbreitete nicht nur Wärme, die nicht nur angenehm war, sondern tauchte auch diesen gemütlichen Teil der Altstadt, es war ein kleiner Park, welcher der Stadtmauer vorgelagert war, in heimeliges Licht: man konnte sich fast in in eine andere Zeit versetzt fühlen. Die Beiden lehnten sich auf der Holzbank zurück und genossen die friedliche Atmosphäre, es fiel kein Wort zwischen ihnen.
Da kam seine Frau mit säuerlichem Gesicht und forderte ihn auf, mitzukommen, sie wolle jetzt nach Hause. Sie stand von der Bank auf, da sie seine Frau in den vergangenen Tagen in einer unguten und von Eifersucht getriebenen Art erlebt hatte. Egal, ob er sich nun unterhalten, ein Bier getrunken oder Freunde aus dem Lager besucht hatte - immer war sie hinterher gewesen und sorgte auf ihre Art dafür, dass ihm alles vergällt wurde.
Sie hatte nun wirklich keine Lust, Zeugin einer solchen Szene zu werden und wollte schon weggehen, da zog er sie auf die Bank zurück. Die Augen seiner Frau loderten vor beginnendem Zorn. Doch er nahm den Autoschlüssel aus seiner Gürteltasche, warf ihn ihr zu und antwortete ganz seelenruhig, dass er jetzt noch hierbleiben würde, zu Fuß nach Hause käme und sie sich unterstehen solle, hier einen Streit vom Zaun zu brechen. Dabei wirkte er so kalt und entschlossen, dass sein Frau sich mit einer zickigen Geste umdrehte und tatsächlich das Lager verließ.
Dann stand er auf und holte Getränke: für sie eine Apfelsaftschorle, für sich ein Glas Wein, später wichen sie auf Mineralwasser aus, das Mund und Geist erfrischte. Familie und Ehe waren lang und breit besprochen worden und schließlich schüttete er ihr sein Herz aus. Quintessenz seiner Schilderung war, dass er und seine Frau nur noch zusammen waren, weil da ein Haus war und so etwas wie Bequemlichkeit, die am Anfang zwar langweilig, später jedoch aufreibend war. Obwohl beiden bewußt war, dass es besser gewesen wäre, das Haus zu verkaufen und sich zu trennen, kamen sie nicht voneinander los - das Materielle war einfach zu stark!
Sie war in ihrer Ehe zwar zufrieden, im Laufe der Zeit war eine kameradschaftliche Gemeinschaft daraus geworden, aber seitdem die Kinder außer Haus waren, fehlte eine Leichtigkeit, fehlte das Feuer, der Pepp.
Während des Gesprächs, das Intimes berührte, waren sie so weit aneinander gerückt, dass sie ganz eng beieinander saßen und er sogar den Arm um ihre Schulter legte. Sie fühlten die Wärme, die Hitze, die vom anderen ausging, Augen wurde rund, Lippen röteten sich. Begehrlichkeit, und damit Gefahr, machte sich breit.
Sie stand unvermittelt auf und erklärte, sie ginge nun nach Hause. Er hielt sie nicht zurück, sondern wünschte ihr eine gute Nacht.
In Gedanken versunken schlenderte sie nach Hause, über die langgezogene Straße, die zum Marktplatz führte, entlang der engen Häuserzeile am Stadtbach, hinauf zur alten gotischen Backsteinkirche, mit ihren dunklen Winkeln, die sich im Schatten der Außenstrebepfeiler befanden. Da - eine Hand griff nach ihrem Arm und zog sie in die Dunkelheit. Er war es und es war ihr egal, wie er vor ihr hier sein konnte. Er bat sie um einen Kuß, einen einzigen nur, weil er wisse, dass alles andere unmöglich sei. Aber ein Kuß, der die Ewigkeit ausfüllen könnte. Sie überlegte nicht, ihr Atem ging schneller, er nahm sie in den Arm, zog sie an sich. Lippen berührten, öffneten sich.....rauschhaft, durch Zeit und Raum, Unendlichkeit....
Sie lösen sich voneinander, nahmen dieses Stückchen Ewigkeit jeder für sich mit und gingen, jeder für sich, nach Hause.
Sehr gut geschrieben.
AntwortenLöschenJa, der Alltag, sowie der Trott. Paare sollten auf jeden Fall dieses vermeiden.
Danke, lieber Helmut.
AntwortenLöschenJa, der leidige Alltagstrott, dieses interesselose Nebeneinander, dieses Fade hat schon so manche Partnerschaft auseinander gebracht. Dabei wäre es so einfach wieder Pep und Würze einzubringen.....