Gestern habe ich alle Bücher, in denen ich gerade mittendrin stecke, zur Seite gelegt und das Buch gelesen, das gestern Morgen mit der Post kam: "Die Bestie aus dem Wald" von Schurich/Stricker.
Was dem Titel nach eher nach einem neuen und spannenden Krimi klingt, ist weitaus schlimmer, denn es ist ein Sachbuch über den Kindermörder Adolf Seefeld. Die "Bekanntschaft" mit den Herrn besteht bei mir schon seit vielen Jahren, genauer gesagt, als ich zum erstenmal den von Stemmle/Mostar herausgegebenen "Neuen Pitaval" las, das Buch "Sexualverbrechen". Ich fand es seinerzeit schon ungeheuer interessant und doch sachlich geschrieben. Ich hatte es auch schon hier vorgestellt:G. Mostar/ R. Stemmle (Hrsg.) - Kriminalreport: Sexualverbrechen
Als ich das Buch auspackte, war ich schon etwas unangenehm berührt, denn das Titelfoto zeigt wohl den Wald bei Nebel in den die aufgehende Sonne scheint. Das ist eine ganz eigene Atmosphäre, die ich als passionierte Waldgängerin, auch schon erlebt habe. Das ist dann so feucht und schwer, so lastend, weil es eben ganz ruhig ist, fast unheimlich still, weil die Vögel noch nicht singen und man vielleicht ein knacken von Ästen hört, das natürlich von einem Tier verursacht wurde. Oder doch nicht? Die Schleusen des Gedächtnisses öffnen sich, jeder Krimi, jeder Kriminalfall, besonders die ungelösten, stehen putzmunter vor dem inneren Auge und sorgen für seltsame Ängste. Doch meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man im Wald weniger Angst haben muß, denn die Begegnungen beschränken sich in der Tat auf ein Wildtier, Waldarbeiter oder den hiesigen Förster.
Mitten in dieses Waldbild wurde ein Brustbild des Adolf Seefeld projiziert und selbst wenn ich nicht wüßte, wer dieser Mann ist, fände ich ihn auf eine komische Art und Weise abstoßend. Erinnert mich das Foto auf eine seltsame Weise an die Handelsvertreter, die früher von Haus zu Haus gingen, um diverse Geschäfte zu tätigen? Die mochte ich schon als Kind nicht, die waren immer so gekünstelt freundlich, so bauernschlau. Den einzigen Mann, der immer vor Weihnachten kam, um Blindenwaren zu verkaufen, ja, der zeigte sogar einen Ausweis vor, fand ich sympathischer, wahrscheinlich, weil er ehrlich war und ein offenes Gesicht hatte.
Nun, das erste, was ich tat, und immer tue, sind Bilder, Fotos und Skizzen betrachten. Ich kannte zwar ein schlechtes Paßfoto von Seefeld, das war aber auch schon alles. Im Buch gab es mehr Fotos von ihm: mit Mantel, mit Rucksack, mit Uhrmacherwerkzeug, mal mit Hut, mal ohne Hut, von der Seite, im Profil. Ein Mann, rasiert, mit Vollglatze, zwar in ärmlicher Kleidung, die aber sauber war und blitzblank geputzten Schuhen. Kleine Augen, die eher müde wirken, aber dem aufmerksamen Betrachter zeigen, dass hier ein Mensch steht, der es faustdick hinter den Ohren hat. Was er auch hatte, aber darauf gehe ich später ein.
Zwei Skizzen zeigen die Wanderwege und Aufenthaltsorte Seefelds im Bereich rund um Schwerin und einem Teil Mecklenburg-Vorpommerns in den Jahren 1931 - 1935. Weite Wege legte er zu Fuß zurück, immer auf der Suche nach einer Gelegenheitsarbeit, die Uhrmacherei hatte er wohl bei einem seiner Gefängnisaufenthalte gelernt und auf der Suche nach geeigneten Opfern. Heute geht man nämlich davon aus, dass sich die Opferzahl Seefelds im dreistelligen Bereich bewegt, da sich sein "Bewegungsradius" im Laufe seines Lebens nicht nur auf Schwerin und Mecklenburg-Vorpommern beschränkte, sondern er sich auch in Oranienburg,Brandenburg, Potsdam, Neuruppin, Schlesien und im Raum Aachen aufhielt. Selbst ein längerer Aufenthalt in Süddeutschland gilt als nicht ausgeschlossen.
Und nun einige Fotos der Opfer: Knaben, noch Kinder, in der damals üblichen Kleidung, fotografiert, wie man sie aufgefunden hat. Mich hat besonders das Foto berührt, nein erschüttet, dass den vierjährigen Artur Dill und seinen Freund, den fünfjährigen Edgar Dittrich tot zeigt. Wie zwei Brüder, die sich umarmen. Wer die beiden Knaben kannte, wußte, dass sie ein unzertrennliches Gespann waren - gemeinsam liefen sie der Bestie in die Hände!
Oder das Foto des Hans Joachim Neumann aus Wismar, dessen Grab mit Hilfe des Spürhundes "Schimmel" entdeckt worden war. Damals gewannen die polizeilichen Spürhunde an großer Bedeutung, da sie von speziellen Hundeführern sorgfältig ausgebildet wurden. "Schimmel" war ein Hund mit einer sog. "Inselbegabung", der beste Spürhund seiner Zeit. Und Seefeld hatte sein Opfer Neumann begraben, nicht wie sonst in einer Waldschonung abgelegt. Und das tote Kind hat, das ist trotz des aufgestellten Jackenkragens erkennbar, die Augen auf!!
Ein weiteres Foto hat mich einfach nur wütend gemacht: es zeigt einen Lokaltermin mit Oberstaatsanwalt Beusch, an der Mordstelle von Heinz Zimmermann. Seefeld ist bei diesem Termin dabei und er macht ein gleichgültiges Gesicht, als ginge ihn das alles gar nichts an. Er hat die Morde aber immer bestritten, was ihn aber nichts nützte!
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