Samstag, 26. März 2016

Mein Lesetagebuch - Teil 5

Es ging seinerzeit um folgendes Buch: "Bundy, Ted - Conversations with a killer".
Die Gedanken die ich mir nach der Lektüre gemacht habe, habe ich hier zusammengefaßt.

Nachdem ich jetzt das Buch fast zu Ende gelesen habe, bin ich erschüttert. Aber was hatte ich mir auch erwartet? Leichte Plauderkost?
Nein, bestimmt nicht, aber einen ehrlichen Einblick in die Kindheit und Jugend.
Wahrscheinlich auch Reue (die zuletzt doch noch kam, aber nicht in diesem Buch), angesichts der Ungeheuerlichkeit und Unfaßbarkeit der Taten.
Doch man wird mitgenommen in eine dunkle Welt....er spricht direkt und offen darüber, wie er seine Opfer ausgespäht, angelockt und später ermordet hat.
Oft ist man benommen von der Wucht seiner Geständnisse.....
Hier ist nicht mehr der gut aussehende, brilliante Jurastudent (der nebenbei auch Psychologie studiert hatte) sondern ein eiskalter Mörder, der Aussehen und Intelligenz dazu nutzte, Verbrechen zu begehen, um Enttäuschungen, deren Verarbeitung in krankhafte Rachegelüste mündeten, auf blutige Weise zu rächen.
Im hirnorganischen Sinn war er sicher nicht krank - aber krank in der Seele, angetrieben von mörderischen Rachegelüsten, besessen von der unaussprechlichen Lust, Böses zu tun - oder sollen wir sagen, er war vom Bösen besessen?
Das Buch ist sicher keine Lesekost, die nur an der Oberfläche informiert!
Dieses Buch läßt mich einfach nicht los....ich will es weglegen und kann einfach nicht....ich lese immer wieder darin, will eine Erklärung, will dem Ursprung, dem Drehpunkt auf die Spur kommen....war er nicht vielleicht doch geisteskrank? Doch folgende Passage läßt mich erstarren....

"Because of my association with all that crimes, the experts refuse to perceive me as being, uh, even remotely - you know, anything that approaches being normal. I mean, I´m not an animal, and I´m not crazy and I´m not a split personality. That´s all there to do it. People refuse to believe that. That´s their problem.
There´s nothing in my background - I swear to God, and I know it - I´ve analyzed my own background and I know...there´s no doubt in my mind that there is nothing in my background, no one factor or collection of factors that would explain or otherwise lead to believe that I was capable of committing murder."

Hier zum besseren Verständnis die Übersetzung:

"Wegen meiner Verbindung mit all diesen Verbrechen, weigern sich die Experten für mich auch nur im Entferntesten für normal zu halten - Sie wissen, alles was sich an normal annähert.
Ich meine, ich bin kein Tier, und ich bin nicht verrückt, und ich bin nicht eine gespaltene Persönlichkeit. Das ist alles, was es zu sagen gibt. Menschen weigern sich, das zu glauben. Das ist ihr Problem.
Es gibt nichts in meinem Hintergrund -ich schwöre bei Gott, und ich weiß es,- ich habe meinen eigenen Hintergrund analysiert und ich weiß, es gibt keinen Zweifel in meinem Kopf, dass es nichts in meinem Hintergrund, kein Faktor oder eine Sammlung von Faktoren, die erklären würden oder auf andere Weise glauben ließen, dass ich in der Lage war, einen Mord zu begehen."

Manchmal ist es nicht schlecht, ein fremdsprachiges Buch zu lesen, denn dadurch werde ich gezwungen, langsamer zu lesen, denn wer kann schon von sich behaupten, außer er/sie arbeitet in einem dementsprechenden Beruf, ein Sprache perfekt zu sprechen?
Ist dieses langsamer lesen nicht eigentlich wie genauer zuhören?
Ich denke: ja!

Wie ich schon schrieb, "ackere" ich das Buch genau durch, um den Drehpunkt, die Situation, in der er gekippt ist, herauszufinden.
Was mir auffiel: er spricht häufig davon, dass er in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen ist, dass es um Glauben, nicht so sehr Kirchenbesuch ging und er in der Kirche gerne zu Hause war, d.h. sich dort engagiert hat.
Ich spüre heraus, dass ihm das sehr wichtig war, aus dem Glauben heraus, und er gerne dort war - ich habe ein gutes Elternhaus, meine Eltern lieben mich, alles ist normal und in Ordnung - Gott liebt mich!
Dann kommt eine erschütternde Erfahrung: er findet, im Erwachsenenalter, heraus, dass er nicht der Bruder seiner Schwester, sondern der Sohn seiner Schwester ist - jahrelang ist er belogen worden und das in einer Familie, in der auf den christlichen Glauben sehr viel Wert gelegt wurde.

Es ist ja nicht so, dass bei seinen Gesprächen das Thema "Christliches Elternhaus, christlicher Glaube" im Vordergrund steht, aber es fließt in vielen Sätzen einfach mit ein, wenn über Kindheit und Jugend gesprochen wird.
Man spürt die Rückerinnerung an eine glückliche Zeit, als ihm das nicht Äußerlichkeit war, sondern ein inneres Bedürfnis. Da steht auch die unausgesprochene Frage: wieso habe ich mich, als ich die Wahrheit über meine Herkunft erfuhr, die ich, neben der jahrelangen Lügerei als Makel empfand, nicht daran aufgerichtet?

Eine kleine Anmerkung von mir zur Orientierung: es kommt in solchen Situationen immer darauf an, wie groß die seelische Stärke nach so einer Erschütterung ist.
Es gibt Menschen, die sich, nach Überwindung der Enttäuschung, gar nichts daraus machen und sich sagen: naja, das ist doch im Grund deren Problem, ich bin da, ich gehe meinen Weg und meine Eltern, oder meine Mutter, schau ich im Leben nicht mehr an.
Andere wieder suchen im Gespräch die Erklärung und können, nach einiger Zeit, auch die Gründe verstehen, die eben aus der Moralvorstellung der Gesellschaft aus der Zeit der Geburt resultieren.
Andere wieder kippen völlig ab, lassen sich das aber nicht anmerken, dennoch geht die charakterliche Veränderung vor sich und das Ziel heißt: Rache!

So auch bei ihm: nach einer Zeit des Verfalls wandelte sich der schüchterne, introvertierte junge Mann zu einem exaltierten, dominanten Charakter, der sich, neben einem Jurastudium, auch für Sinologie einschrieb und sich politisch engagierte.

Fortsetzung folgt!

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