Kaum war das Buch "Michail und Natascha - der letzte Zar und seine große Liebe" per Post angekommen, mußte ich gleich meine Nase hinein stecken.
Natürlich hatte ich schon von Michail, dem Bruder des Zaren Nikolaus II., gehört, aber dass er eine große Liebe hatte, war mir neu.
Wer war nun die Frau, die er so sehr liebte, adelig, bürgerlich? Woher kam sie, denn Michael war der begehrteste Junggeselle Europas....
Micael war ein Mann, der einen absolut unbestechlichen Blick für schöne Frauen hatte, denn bereits vor Natascha hatte er sich in eine schöne Frau verliebt, ihres Zeichens Hofdame und somit für den "erlauchten" Kreis als Ehefrau indiskutabel. Als Mätresse weiter kein Problem....
Das ist überhaupt eine ganz verlogene Sache: auf der einen Seite wurde eine Frau, oder auch Mann, aus bürgerlichen oder dem niedrigen Adel als indiskutabel angesehen, und die Liebenden wurden schweren Repressalien ausgesetzt, das konnte bis zur Verweisung aus dem Land und dem Einzug des persönlichen Vermögens gehen, was beinahe einer Entmündigung gleichkam, auf der anderen wurde man als Geliebte/Geliebter akzeptiert.
Schaut man in die Geschichte hinein, gibt es genügend Beispiele, aber hier will ich speziell auf diesen Abschnitt, bzw. Familie eingehen:
Zar Nikolaus II. hatte zwar vor seiner Ehe eine Geliebte, offiziell abgesegnet, war aber allen Informationen nach ein treuer Ehemann.
Seiner Frau, Alexandra, die sich nach außen puritanisch gab, wurde eine Affaire, jetzt nicht mit Rasputin, einem Offizier namens Orlow nachgesagt und dem Klatsch nach galt er als Vater ihres Sohnes Alexeij. Hinter der schwülen Freundschaft zu Anna Wyrubowa wurde eine zeitweise lesbische Beziehung vermutet.
Olga, eine Schwester Nikolaus II., hatte Geliebten, Kulikowski, den sie später, nach ihrer Scheidung, auch heiratete und gemeinsame Kinder mit ihm hatte.
Großfürst Dmitri, einer der späteren Mörder Rasputins, galt zeitweise als bisexuell und vergnügte sich mit Felix Jussupow, der bisexuell war und sich mitunter als Frau verkleidete, im Petersburger Nachtleben.
Nikolascha, einer von Nikolaus Onkeln, hatte mit seiner späteren Ehefrau, Anastasia, auch Stana genannt, als sie noch mit dem Fürsten Leuchtenberg verheiratet war, eine heiße Liebesaffaire. Nach ihrer Scheidung heiratete er sie, war aber Informationen nach zuerst ein treuer Ehemann, nahm sich jedoch auch eine Mätresse, wurde später, im etwas reiferen Alter, immerhin war er bei der Geburt des ersten Kindes 62 Jahre alt, Vater von fünf unehelichen Kindern.
Sergeij, der Mann von Alexandras Schwester Ella, war homosexuell und lebte diese Veranlagung aus, führte vor den Augen der Welt eine Scheinehe und quälte seine Frau mit grundloser Eifersucht.
Ja, Michael verliebte sich in die wunderschöne und kluge Natascha Wulfert, so hieß sie damals und war mit einem Offizier verheiratet, hatte mit ihm allerdings keine Kinder.
Es muß Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, tiefe, echte Liebe,jedenfalls hatte das Herz von Anbeginn an "ja" gesagt.
Wie gesagt, als Mätresse wäre die Frau an seiner Seite kein Problem gewesen, aber die Zarin Alexandra konnte die Frau, aus persönlichen Gründen, einfach nicht ausstehen. Die "feine" Gesellschaft, welche die Zarin ansonsten ignorierten, schloß sich dieser Meinung an. Es begann ein regelrechtes Kesseltreiben gegen die Frau...
Als Natascha auch noch schwanger von Michael wurde, welch ein pikantes Klatschthema, erreichten die Gemeinheiten den ersten Höhepunkt.
Michael wurde wütend und sann auf einen Ausweg: er wollte Natascha jetzt heiraten, unbedingt. Ein Plan wurde ersonnen...
Natascha brachte den gemeinsamen Sohn auf die Welt und wurde anschließend von ihrem Ehemann geschieden.
Doch die Sache mit der Heirat war nicht so einfach wie gedacht, denn die Ochrana überwachte das Paar. Und auch in der russisch-orthodoxen Kirche war es üblich, dreimal das Aufgebot zu verlesen.
Eine Lösung wurde gefunden: das Paar fuhr nach Bad Kissingen und genoß den mondänen Badebetrieb, wobei Michael verkündete, sie würden nach Cannes reisen, um dort mit dem Automobil, er war ein Autonarr, eine ausgedehnte Tour zu unternehmen.
Was dann geschah, war abenteuerlich: das Auto wurde in den Zug nach Cannes verladen, das Gefolge stieg ein, das Paar auch....nein, es setzte sich, ganz unauffälig gekleidet, in den Zug nach Wien. Doch die Ochrana fiel auf die Komödie herein und folgte dem Zug nach Cannes.
Das Paar ließ sich in der serbisch-orthodoxen Kirche in Wien trauen, die Ehe war somit unauflöslich.
Zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Russland gestand Michael seinem Bruder die Eheschließung. Doch anstatt verständnisvoll zu reagieren, schließlich hatte auch er aus Liebe geheiratet, reagierte Nikolaus, natürlich beeinflußt von Alexandra, ungewöhnlich hart.
Der Grund für diese Härte lag darin begründet, dass Michail, sollten Alexij und Nikolaus sterben, der nächste Anwärter auf den Thron war. Das kränkte Alexandra und mit dieser unerwünschten Heirat konnte sie endlich den Prätendenten auf legale Weise los werden und gleichzeitig versuchen, ihre Idee, ihre Tochter, Großfürstin Olga an Michails Stelle, im Fall der Fälle, auf den Thron zu setzen, natürlich mit ihr als Mitregentin, umzusetzen.
Damit man sich ein Bild dieser Maßnahmen machen kann, führe ich einige Punkte an:
Da war zuerst die Nichtanerkennung der Heirat durch den Zaren.
Dann sollte Michail sofort nach Rußland zurükkehren und seine Güter unter Vormundschaft, das kam der Erklärung gleich, er wäre geisteskrank, stellen lassen.
Sie sollte, als kriminelle Person, aus Russland verbannt bleiben.
Sollte er allein kommen und sich scheiden lassen, würde er für persönliche Aufgaben verwendet werden.
Bevor er nicht geschieden wäre, würde ihn der Zar nicht empfangen.
Wie gesagt, das sind nur kurze Auszüge!
Selbst hartgesottene Mitglieder der Petersburger Gesellschaft waren erstaunt über die strenge Strafe und als durchsickerte, dass Alexandra hinter diesen Demütigungen stand, galt die Sympathie in weiten Kreisen nicht mehr Nikolaus, sondern Michail.
Es war natürlich klar, dass Michail jetzt erst recht hinter der Frau stand, die liebte, die ihm ein Kind geboren hatte und die er geheiratet hatte.
In einem Brief machte er den Zaren darauf aufmerksam, dass die Eheschließung in der serbisch-orthodoxen Kirche genauso heilig und unauflöslich war, wie in der russisch-orthodoxen Kirche; beide Konfessionen waren gleichgestellt. Doch der Zar war, wie üblich unter dem Einfluß seiner Frau, auf beiden Ohren taub und ließ sich nicht erweichen.
Michail blieb daraufhin mit seiner Frau noch eine Weile in Paris und suchte sich dann ein Anwesen in England. Dort lebte bereits ein verbannntes Romanowpaar und genoß dort gesellschaftliches Ansehen. Michail wurde fündig und mietete Knebworth, das mit viel Geschmack eingerichtet wurde. Das Paar lebte dort glücklich, frei und fühlte sich mehr als ein Jahr dort wohl, mit Kindern, Hund und gesellschaftlichen Verbindungen.
Dann begann der 1.Weltkrieg und Michail "durfte", mit Frau und Kind, nach Russland zurückkehren, seine persönlichen Güter blieben allerdings noch eine zeitlang unter Treuhandschaft....
Michail bekam eine Einheit zugeteilt, die unter dem Namen "Wilde Division" bekannt wurde und deren Soldaten, ein bunt gemischter Haufen verschiedener Herkunft und Religion, anerkannt tapfer und tollkühn waren. Michail, nicht weniger tapfer führte sie zu zahlreichen militärischen Siegen und sicherte sich so Anerkennung in der russischen Armee und Teilen des kaiserlichen Hauses.
Privat verbesserte sich auch die Situation Michails und Nataschas. Sie bezogen ein Haus in Zarskoje Sjelo, der Name bedeutet ganz einfach Zarendorf, renovierten es und richteten es liebevoll ein. Sie hielten sich mit ihrem Sohn, ihren Hunden und ihren Gästen, Michail und Natascha hatten durchaus Freunde, gerne im großen Garten auf.Jedem, der sie kannte, fiel die enge Verbundenheit des Paares auf.
Nach und nach stellten sich auch Mitglieder der Romanowfamilie ein und entdecken nicht nur die Gastfreundlichkeit des Paares, sondern auch die Möglichkeit, geistvolle Gespräche auf hohem Niveau führen zu könnten.
Das ärgerte wiederum die Zarin Alexandra, die nun ihrerseits überlegte, wie sie dem Paar die Atmosphäre vergiften konnte. Nur: der Zar war an der Front und sie eigentlich damit beschäftigt, Russland zu "regieren".
Es ergab sich dann aber doch die Gelegenheit zu einem giftigen Seitenhieb: Anfang 1917 stellte ein Fotograf das Bild Michails, in der Uniform der "Wilden Division", an der Seite seine Frau, in seinem Schaufenster aus. Alexandra ließ das Bild sofort entfernen...wie kleinlich!
Doch das Paar ließ sich davon nicht beeindrucken, zumal Michail zwischenzeitlich an Diphterie erkrankt war, einer damals lebensgefährlichen Krankheit. Doch Michail wurde gesund, besuchte zunächst seinen Bruder in Mogilew, wovon er bitter enttäuscht war, kehrte dann aber zu seiner Division zurück.
Doch offensichtlich konnte der Bruder über seinen Schatten springen: die von Michail geschlossene Ehe wurde von Nikolaus als morganatische Ehe anerkannt. Nathalie wurde der Titel der Gräfin Brassowa verliehen. Ihr Sohn Georgi wurde im März 1915 als legitimer Nachkomme Michails anerkannt.
Als Nikolaus im Februar 1917 abdankte, ging die Macht an seinen Bruder über, der sofort den Thron ablehnte und auf die existierende provisiorische Regierung verwies.
Die provisorische Regierung zerfiel jedoch kurze Zeit später und Alexander Kerenski übernahm die Macht.
Nach seinem Thronverzicht lebte er für wenige Monate recht unbehelligt und unberührt von der Politik mit seiner Frau Natascha in Gatschina. Aber man fürchtete bald eine monarchistische Konterrevolution, daher wurden die Freiheiten der ganzen Familie Romanow zusehends eingeschränkt.
Ab August 1917 standen Michail, Natascha und Nicholas Johnson auf Anordnung von Alexander Kerenski unter Arrest. In Russland herrschte Chaos, und die Romanows begannen das Land zu verlassen, als Exil hatte man England gewählt. Der britische König konnte. oder wollte, ihnen nicht die Einreise gewähren. Im Herbst 1917 begann die Oktoberrevolution, in der die Bolschewiki die Macht übernahmen.
Michail erkannte die von den neuen Machthabern ausgehende Gefahr für sich und seine Familie. In einem eigens angefertigten Dokument ließ er sich von den Bolschewiki bestätigen, dass seine Familie kein Feind der neuen Sowjetmacht sei. Wenige Tage danach ließ der Rat der Volkskommissare den Bürger Michail Romanow dennoch in die Verbannung nach Perm bringen. Seine Familie und einige Diener, u.a. seinSekretär Johnson, der trotz seines englisch klingenden Namens ein waschechter Russe war, begleiteten ihn. Untergebracht in einem Hotel, wurden die Verbannten streng bewacht. Bedroht von Gefängnis, konnte er seine Frau und seinen Sohn überzeugen, Perm sofort zu verlassen.
Anfang Juni 1918 beschloss das Permer Parteikomitee der Bolschewiki eigenmächtig, den Großfürsten Michail Romanow umzubringen, damit er nicht zu den Truppen unter Admiral Koltschak überlaufen konnte.Zunächst wurden seine Freiheiten, die ihm als Bürger Romanow zugesichert waren, stark beschnitten.
In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1918 drangen bewaffnete Männer unter der Führung von Markow in das Hotel ein, in dem der Großfürst festgesetzt war, und schafften ihn in einer Kutsche aus Perm heraus, nach Motowilicha. Michail, dem man das Reiseziel Mogilew, etwa 2400 km in westlicher Richtung, genannt hatte, fragte wohin die Reise nun eigentlich ginge. Man erklärte ihm, man würde ihn zu einem Eisenbahnknotenpunkt bringen, da eine Abreise an einer belebten Bahnstation Aufsehen erregen würde. Hinter Motowilicha lag ein Parrafinlager, Malaja Jasowaja, und dahinter begann ein Wäldchen. Die Kutschen hielten auf der Straße und es ging in den Wald hinein, unter der Erklärung, dahinter läge der Eisenbahnknotenpunkt.
Dann wurde der kaltblütige Mord ausgeführt und es gab kein Ritual, in dem noch beten durfe, die letzte Zigarette rauchen, auch die Augen wurden nicht verbunden, nur einfach die Waffen abgedrückt. Die Leichen wurden beraubt und im Wald vergraben. Das Grab des Großfürsten und seines Begleiters wurde bis heute nicht gefunden, man errichtete allerdings in neuerer Zeit ein Gedenkkreuz.
Der Mörder und seine Truppe ließ sich anschließend fotografieren und später schrieb Markow ein Buch über den Mord, er nannte es Erinnerungen.
Die Hinrichtung wurde wenig später nachträglich durch die Führungsebene der Bolschewiki gebilligt. Der Beschluss, die restliche Zarenfamilie zu ermorden, wurde an höchster Stelle in Moskau gefasst. Es besteht kein Zweifel mehr, dass die führenden Köpfe der Bolschewiki, insbesondere auch Lenin und Jakow Swerdlow, daran Teil hatten.
Michails Frau Natascha und dem gemeinsamen Sohn gelang die Flucht, sie wurden, mit Anderen, in Odessa an Bord eines englischen Schiffes genommen.
Sie lebten in Paris, Georgi kam einige Jahre später bei einem Unfall ums Leben. Natascha starb 1952, völlig verarmt, an Krebs und wurde in Paris beigesetzt.
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