Dienstag, 5. August 2014

Wilhelm II. und Kronprinz Rudolf - eine feindliche Freundschaft Teil 2

Doch nun zurück zu Rudolf und Bertie. Gut möglich, dass sich Rudolf, der sich nach seiner Ausbildung auch ins pralle Leben stürzte, beteiligt war Obersthofmeister Charly Bombelles, von der Lebensart Berties anstecken ließ. Beide waren eigentlich unterbeschäftigte Thronfolger, die von, im Fall Berties von der Mutter, im Fall Rudolfs vom Vater, von Regierungsgeschäften ausgeschlossen waren.

Rudolf hatte zwar seine Aufgabe beim Militär, die ihn auch in Anspruch nahm, aber er war eigentlich immer unzufrieden.
1878 publizierte er gemeinsam mit dem Wirtschaftsjournalisten Carl Menger anonym die 48-seitige Broschüre „Der österreichische Adel und sein constitutioneller Beruf“. In dem Schriftwerk wird der Verfassungsstaat gefordert und dem Adel „grenzenlose Trägheit“ vorgeworfen. Im Zuge seiner zunehmenden Isolation am Hof und Rudolfs Befürchtung, über die tatsächlichen Zustände und Entwicklungen in den habsburgischen Landen nicht authentisch informiert zu werden, kommt auf Vermittlung von Carl Menger 1881 der Kontakt mit Moritz von Szeps, dem jüdischen Herausgeber des „Neuen Wiener Tagblatts“, zustande, aus dem sich eine enge, geheime Freundschaft entwickelt. Für das antiklerikale und linksliberale Blatt, das den Untertitel „Demokratisches Organ“ trägt, beginnt Rudolf in Folge anonyme Leitartikel zu verfassen, die sich gegen die Kirche, die Aristokratie und die konservativen Kräfte der Monarchie richten. Mit dem Tod des liberalen Kaisers Friedrich III. starb für Rudolf im Juni 1888 auch die Hoffnung auf einen ähnlich gesinnten Bündnispartner.

Da taucht bei mir eine Frage auf: wieso sah Rudolf in Kaiser Friedrich einen ähnlich gesinnten Bündnispartner? Das deutsche Kaiserreich hatte bereits eine Verfassung, genauso wie das österreichische Kaiserreich, die aber durch Franz Joseph außer Kraft gesetzt wurde, und war ein förderalistischer Staat.
Der deutsche Kaiser war ein konstitutioneller Monarch, der österreichische Kaiser ein absolutistischer Monarch.
Es wurde darüber gemunkelt, dass, wenn Kaiser Friedrich an die Macht kam, man Elsaß-Lothringen an Frankreich zurückgeben würde, um dauerhaft Frieden zu schaffen. Damit wäre gar nichts gewonnen gewesen, denn da gab es noch die starke Wirtschaftsmacht des deutschen Kaiserreichs, Großindustrielle waren neben dem preußischen Militäradel tonangebend, und seine, durch Bismarck eingeleitete, und durch Wilhelm II. erweiterte, Sozialgesetzgebung. Nebenbei: ich sah kürzlich einen Bericht, es ging mal wieder um den I. Weltkrieg, dass auch einer der Hauptgründe für diesen Krieg, an dem alle eine Schuld tragen, der Neid auf die wirtschaftliche Großmacht war.
Hätte Friedrich III. so gehandelt, wovon ich keinesfalls überzeugt bin, so hätte man ihn, mit Hilfe eines psychiatrischen Gutachtens, entmündigen lassen. Das war damals gar nicht so selten, wie es Heinz Häfner in seine Buch "Ein König wird entmachtet" schildert.


Wenn Rudolf den Adel kritisiert hat, so durfte er aber nicht vergessen, dass es der Adel war, der die Fürsorge für Arme vor dem Krieg organisiert hatte. Das Männerwohnheim, in dem, z.B., Adolf Hitler vor dem Krieg immer wieder gewohnt hatte, galt als vorbildlich, in Größe und Ausstattung, und wurde von Adel finanziert.
Wer sich genauer dafür interessiert, kann in „Hamann, Brigitte – Hitlers Wien“ nachlesen.
Dass "Vater Staat" diese Aufgaben übernahm, war eine Folge des I. Weltkriegs.
Nebenbei: ich konnte noch nirgends lesen, dass sich Rudolf, er verfügte auch über ein nicht geringe Apanage, sich in sozialen Dingen vorbildlich engagiert hatte, sei als als großzügiger Spender, Förderer oder Stiftungsgründer...

Was mich auch irritiert, ist die Sympathie Rudolfs für Frankreich. Napoleon hatte mit seiner Armee unendliches Leid über Europa gebracht, damit natürlich auch über Österreich und eine Kaisertochter wurde, um den Frieden zu sichern, an Napoleon verheiratet. Preußen kämpfte in den Befreiungskriegen an der Seite Österreichs und entrichtete einen großen Blutzoll. Doch das schien vergessen.
Sagen wir es ganz klar: der junge Habsburger haßte Preußen und später das deutsche Kaiserreich. Er sah mit Wut einen Staat prosperieren, in militärischer wie vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, wie andere Länder in Europa übrigens auch. Sie empfanden dadurch das politische Gleichgewicht als zerstört, zumindest gestört. Natürlich wäre ihnen ein Fleckenteppich, bestehend aus vielen deutschen Staaten, lieber gewesen, am besten unter der Führung Österreichs, da ging es ruhig und gemütlich zu. Doch der deutsche Entwicklungsprozeß, der 1848 begonnen hatte, endete 1871 mit der Gründung des deutschen Kaiserreichs. Ein Staat aus einem Guß, das war ihnen suspekt und das dieser auch noch aufstrebte, nachgerade unheimlich. Anstatt sich, z.B. an der Sozialgesetzgebung, ein Beispiel zu nehmen, denn nichts anders bedeutet „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, auch der spätere Kaiser Wilhelm II. versuchte immer wieder darauf hinzuwirken, allerdings vergeblich, pflegte und kultivierte man seine Wut (wobei man für Frankreich noch Verständnis haben kann). Weiterhin blickte man mit bösen Augen in Richtung Kaiserreich. Rudolf scheint hier nach dem Satz gehandelt zu haben, dass man, weil man eben seinem mächtigen Feind nicht schaden kann, zumindest der Freund der Feinde meines Feindes sein kann.
Ein weitere leichtsinnige tat Rudolfs waren die Treffen Rudolfs mit dem Führer der französischen Radikalen, Georges Clemenceau. Eine Tochter Clemenceaus war mit Moritz Szeps, dem Zeitungsverleger und Freund Rudolfs, verheiratet. Szeps organisierte die Treffen. Rudolf glaubte, in Clemenceau einen Verbündeten für seine liberalen Ideen gefunden zu haben. Ich habe da immer den Eindruck, Clemenceau wollte einen Verbündeten für den Revanchekrieg gegen das deutsche Kaiserreich gewinnen und Rudolf ebenso. Denn der Habsburger war von einem nachgerade messianischen Glauben an die Vorherrschaft Österreichs erfüllt.
Nebenbei: was wäre wohl geschehen, wenn der Kaiser von diesen Treffen erfahren hätte? Sie hätten als Verrat, wenn nicht gar als Hochverrat gegolten.

Im Grunde sehe ich die Freundschaft des britischen Thronfolgers, Bertie, genauso. Man wollte den fanatischen Habsburger als Verbündeten gegen das deutsche Kaiserreich gewinnen, die persönlichen Ideen Rudolfs waren da nur Nebensache oder wurden womöglich auch belächelt.

Es war doch aus der Sicht Frankreichs und Englands eine feine Sache, wenn es geklappt hätte. Das deutsche Kaiserreich, umzingelt von feindlich gesinnten Staaten. 
Wie wichtig Frankreich und England ihr Verbündeter Russland war, der ihnen im Krieg den Rücken solange wie möglich freigehalten hatte, sah man an ihrem Verhalten der russischen Zarenfamilie gegenüber. Nikolaus II. wurde in England vom König und der Regierung keinerlei Asyl oder Zuflucht gewährt. Teile der Romanowfamilie, die nach dem Krieg in Frankreich dort lebte, hatte ein britisches Schiff dorthin gebracht und sie hatten sich schon weit vor Beginn des Krieges dort Immobilien gekauft, da sie häufig ihre Urlaube in Südfrankreich verbrachten. 
So sah deren Bündnistreue und anschließende Freundschaft aus!

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