Donnerstag, 26. Juni 2014

Eine kleine Katze namens Reza - Fortsetzung 4

Eigentlich wollte ich erst nächste Woche ein weiteres Erlebnis erzählen, aber heute habe ich mich selbst in eine, für mich unangenehme Situation gebracht, die ich euch unbedingt erzählen muß.

Heute Mittag, meine Halterin, Lesekatze, bereitete soeben ihre Tofu-Bolognese-Soße vor, kletterte ich über die Küchenschränke, um mich davon zu überzeugen, was da im Topf so lecker köchelte und duftete. Richtig: frische Kräuter schwitzten im Olivenöl ganz langsam an und verbreiteten einen Geruch, der selbst mir das Wasser im Mäulchen zusammenlaufen ließ. Die Folge davon war, dass ich mein Näschen immer weiter vor streckte, so dass ich beinahe im Topf oder auf dem Herd gelandet wäre. Meine Halterin setzte mich auf den Boden und ermahnte mich mit strengen Worten, die ich aber ignorierte und gleich wieder auf dem Küchenkasten saß, um wieder zum reinsten Topfgucker zu werden. Lesekatze seufzte, nahm mich auf den Arm, trug mich ins Wohnzimmer und schloß die Küchentür.
Normalerweise bin ich gerne im Wohnzimmer, da es nicht nur große Fenster hat, sondern auch einen Erker, in dem ich es mir gemütlich machen und die Leute auf der Straße beobachten kann. Heute war ich aber sauer und verärgert, das Wohnzimmer ging mir sonstwo vorbei, weil ich nicht weiter beim Kochen zusehen durfte. Was nun tun, denn irgendwie mußte ich meinen Frust loswerden! Ich blickte mich um: Fotos umwerfen, die Tageszeitung bearbeiten oder die Krallen am Teppich, statt auf dem Kratzbaum schärfen? Nein, das würde neuen Ärger nach sich ziehen, also was blieb sonst noch übrig? In den Schränken verstecken, denn manchmal vergaß meine Halterin, oder auch mein Halter, sie zu schließen? Ja, da wäre es, dann müßten sie mich suchen, wie spannend und lustig, wenn ich dann keinen Laut von mir gab und sie zuletzt froh waren, wenn ich mit Unschuldsmiene und hochgestrecktem Schwanz wie aus dem Nichts erschien! Doch ausgerechnet heute war kein offener Schrank zu entdecken, aber dafür war die Tür zum Flur offen: das war ja eine tolle Gelegenheit, denn dort gab es nicht nur den Garderobenschrank, sondern auch den "Hackenporsche", ihr wißt schon die kleinen Einkaufswagen für Menschen, die sie hinter sich her ziehen, meiner Halterin. Und das Beste daran: die Einkaufstasche war offen! So sprang ich hoch und ließ mich in die große Tasche gleiten; keinen Moment zu früh, denn mein Halter kam zum Mittagessen nach Hause. Lesekatze begrüßte ihn und sagte zu ihm dass das Essen gleich fertig sei. Die Beiden wollten sich gerade an den Mittagstisch setzen, da fragte meine Halterin ihren Mann, ob er mich nicht im Wohnzimmer gesehen habe. Er antwortete mit "nein" und Lesekatze meinte, ich würde wohl gleich ins Speisezimmr spaziert kommen. In meinem dunklen Versteck hörte ich Geschirr und Besteck klappern, eine Unterhaltung kam auch in Gang. Allmählich wurde mir in der Einkaufstasche zu ungemütlich und so beschloß ich, selbstverständlich mit Unschuldsmiene, ins besagte Speisezimmer zu kommen. Sprungbereit visierte ich den oberen Teil der Einkaufstasche an, setzte zum Sprung an, schnellte hoch - was war das? An der glatten Hülle rutschte ich ab, auch nach weiteren Versuchen - Hilfe, hörte mich denn niemand? Offensichtlich nicht, denn das einzige, was ich hörte, waren die Geräusche am Mittagstisch.
Was war, wen sie mich nicht suchen würden und ich in dieser Tasche vermodern müßte?
Das war gar nicht so abwegig, denn meine Halterin benutze diesen Einkaufswagen höchstens einmal in der Woche! Meine Gedanken begannen, immer weiter auszuufern, ich sah mich schon als Mumie, nein, als Skelett; es war ein blöder Gedanke gewesen sich in diese Tasche zu setzen, hörte mich wirklich keiner?
Doch da kamen Schritte näher und ich hörte, wie mich meine Halterin und ihr Mann riefen. Sie suchten mich wohl an meinen gewohnten geheimen Plätzchen, sprich Verstecken, doch sie konnten mich dort logischerweise nicht finden. Ich rappelte in dieser vermaledeiten Einkaufstasche und maunzte so laut, wie ich konnte; dabei hoffte ich, gehört zu werden, da ich nur eine ganz feine Stimme habe. Da saß ich nun in meinem Fallenversteck, verzweifelt, schon den Tränen nahe - da kam meine Rettung. Mein Halter war wohl auf mein Rappeln und Maunzen aufmerksam geworden und schaute in die Einkaufstasche. Er hob mich heraus, ich drückte mich ganz fest an ihn und wollte vor lauter Dankbarkeit gar nicht mehr aufhören, zu schnurren. Da kam auch schon Lesekatze und freute sich, dass ich wieder da war; ich bekam viele, viele Streicheleinheiten. Mein Halter, besorgt, dass ich wieder in die Tasche hüpfen könnte, verschloß sie ganz fest mit ihren Schlaufen; aber ich würde auch so nie hineinschlüpfen.

Jetzt liege ich ganz entspannt auf dem Sofa, langestreckt auf meiner roten Lieblingsdecke und träume meinen Lieblingstraum.

Bis zum nächsten Mal, eure Reza

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