Der nächste Morgen begann mit einem Weckerklingeln. Meine neue Halterin, wir nennen sie in Zukunft Lizzy, angelte schlaftrunken nach dem Ausschaltknopf und ich war gespannt, was nun kommen würde, denn eigentlich hatte ich Hunger. Die Minuten vergingen und Lizzy machte keinerlei Anstalten, nun aufzustehen, im Gegenteil, sie drehte sich nochmals um. Mit und vor allem meinem Magen gefiel das überhaupt nicht, so schlich ich zu ihr hin, um schließlich auf das Bett zu hüpfen. Vorsichtig und langsam näherte ich mich ihrem Gesicht, um sie zu beobachten. Da öffnete sie unter unverständlichen Lauten ein Auge und plötzlich war sie hellwach: ein lautes "Ahh", ich erschrak, sprang vom Bett um meinem Bruder unters Sofa zu folgen, wohin er sich verkrochen hatte. Aus dieser sicheren Warte heraus konnten wir nun verfolgen, was sich offensichtlich als Morgenritual entpuppen sollte und mein Bruder und ich noch viele Male unter schadenfrohem Grinsen, ja, wir Katzen können das, erleben durften: es war spannender als jeder Fortsetzungkram im TV.
Der nächste Blick von Lizzy fiel auf den Wecker, worauf ein wütendes "zu spät" folgte. Sie beeilte sich, in die Küche zu kommen, stellte uns frisches Futter und Wasser hin, um selbst dann noch schnell eine Tasse Kaffee zu trinken. Dann wurde in aller Hektik die Handtasche zusammengerafft, der Schlüssel nach einigen Minuten des Suchens gefunden und schließlich fiel die Tür ins Schloß, dann war es still.
Mein Bruder und ich wagten uns aus dem Versteck, ganz vorsichtig, weil wir ja nicht wußten, was da noch kommen würde. Doch die Luft war und blieb rein, wir Beide stürzten und mit Wonne auf unser Futter. Den Rest des Tages verbrachten wir mit dösen, spielen und schlafen.
Als Lizzy am späten Nachmittag von der Arbeit kam, pfefferte sie zunächst Schlüssel und Handtasche in eine Ecke des Sofas. Ob sie die Sachen am nächsten Morgen wieder suchen würde? Ich beschloß, den morgentlichen Weckdienst an Lizzy zu übernehmen, weil mir ihr Aufstehen eigentlich ganz gut gefallen hatte und ich mit mit diesen Momenten den Tag versüßen wollte.
Die Einkaufstasche, die sie mitgebracht hatte, trug sie in Küche und kam dann wieder, um uns auf den Balkon zu lassen. Auf dem Balkon war es herrlich warm und der Wind trug die Gerüche des Parks herüber.
Feine Gerüche drangen auch aus der Küche, denen ich, bei aller Liebe zum Balkon, nachgehen mußte. Also steckte ich meinen Kopf durch die Küchentür: richtig, Lizzy dünstete ein Hühnchen. Mein Bruder und ich bekamen später ein Stück davon ab, es schmeckte lecker, besser als unser Dosenfutter.
Später machten wir uns es auf dem Sofa gemütlich, wobei entweder das TV-Gerät lief oder die Stereoanlage angeschaltet wurde, wobei da eine Art seltsame Musik lief, später erfuhr ich, dass sich das Heavy-Metal nannte, die ich nie sonderlich mochte. Jedenfalls war es mit Lizzy schön, da sie jede Nacht ziemlich lange aufblieb. Steckte in ihr eine Art Katze, weil sie solange nachtaktiv war? Egal, ich würde sie am Morgen schon wecken.
Irgendwie mußte ich das übertrieben haben, denn Lizzy telefonierte einige Wochen später mit ihrer Mama, wobei über einen Menschen "Tierarzt" gesprochen wurde. Dabei wurden ich und mein Bruder wechselweise seltsam angesehen, jedenfalls kam es mir so vor.
Ein paar Tage später kam die Mama von Lizzy und brachte wieder diesen Katzenkorb mit. Mein Bruder und ich wurden im handumdrehen hineingesetzt, so dass wir zunächst gar nicht wußten, wie uns geschah. Dann ging es mit dem Fahrstuhl nach unten, ins Auto und wir fuhren los. Ich genoß die Fahrt, die leider viel zu kurz war. Wir stiegen aus und betraten ein großes eckiges Gebäude, in dem es nach anderen Tieren und irgendwie unangenehm roch. Lizzy meldete uns an der Theke an und während wir in diesem unsäglichen Katzenkorb noch im Wartezimmer Platz nahmen, sprach Lizzys Mama noch mit der Frau an der Theke. Ich spitzte meine Ohren und hörte mit, wie sie über einen Kater Mucki sprachen, der offensichtlich Lizzys Mama gehörte. Ob ich den mal kennenlernen würde?
Schließlich kam Lizzys Mama auch ins Wartezimmer und so warteten wir einige Minuten, bis wir aufgerufen wurden. Wir wurden in eines der beiden Sprechzimmer gebracht und schon kam der Mensch "Tierarzt" herein. "Tierarzt" war eine nette junge Frau mit langen dunklen Haaren und einem freundlichen Gesicht; komisch "Tierarzt" hatte ich mir immer anders vorgestellt. Wir wurden gewogen, nach unserem Geburtstermin gefragt, nach unserem Freßverhalten; all das wurde fein säuberlich in ein Büchlein eingetragen. Dann verließ "Tierarzt" das Sprechzimmer und ich dachte schon bei mir, dass der Besuch bei "Tierarzt" doch ganz entspannt gewesen war; nur irgendwie seltsam, dass der Katzenkorb nicht geschlossen wurde und wir endlich gingen. Nocheinmal wurde die Tür geöffnet und ein pummeliger, großer Mann mit Haaren im Gesicht kam herein. Da wußte ich, dass das dicke Ende nun da war: das war "Tierarzt"! Er redete interessiert mit Lizzy und ihrer Mama, aber nur, um zuerst meinen Bruder zu begutachten. Mein Bruder nahm alles mit einer Art Gleichmut hin, wahrscheinlich ist er Anhänger der Stoa und zuletzt bekam mein Bruder noch ein kleine Spritze, damit er nicht Katzenseuche oder Tollwur bekam. Anschließend trottete mein Bruder in den Katzenkorb und rollte sich ein. Dann wandte sich dieses behaarte Gesicht mit zu: ich überlegte, ob ich nicht meine Zähne einsetzen oder ein Stoßgebet zu Bastet (Hilf mir, Göttin Bastet, ich will auch nie wieder der Weckdienst sein) schicken sollte. Doch da wurde ich schon selbst begutachtet und gespritzt; ich war froh, mich anschließend im Katzenkorb verstecken zu können. Dann ging es im Auto nach Hause und ich war glücklich, wieder in der vertrauten Wohnung zu sein. Dann gab es für meinen Bruder und mich an diesem Tag noch eine leckere Überraschung: Hühnchen, weil wir beim Tierarzt so brav gewesen waren.
Während ich mir eine Riesenportion davon schmecken ließ, überlegte ich mir, dass der Besuch bei "Tierarzt" doch nicht so übel gewesen war, vor allem weil es danach Hühnchen gab.
Das Stoßgebet war nach wenigen Tagen vergessen, der Weckdienst wie immer und auch mit "Tierarzt" gab es noch Erlebnisse, die ich gerne ein andermal erzähle.
Liebe Brigitte,
AntwortenLöschenich habe besonders deine Katzengeschichten sehr gerne gelesen. In dieser Form ist es dann noch einmal viel übersichtlicher und schneller zu finden.
Bitte mach so weiter.
Dein treuer Leser
Livius
Lieber Livius,
Löschenvielen Dank für Deine nettes Kompliment.
Ich werde demnächst noch mehr Geschichten einstellen.
Liebe Grüße von Reza und Brigitte