Guten Morgen, oder soll ich lieber "miau, miau" sagen? Das ist heute irgendwie egal, denn ich wechsle nur zwischen Futternapf, Fensterplatz und Heizung hin und her; meine Halterin, Mitkatze, Futterknecht, ach ich weiß auch nicht, wie ich, in meiner müde-grummeligen Laune, sagen soll.
Ich glaube, ich verziehe mich auf den Fensterplatz, da liegen zwei warme, flauschige Decken nur für mich und ich kann die Leute beobachten, die mit zerknautschten Mienen am Haus vorbeigehen; am liebsten würde ich ihnen auf den Kopf spucken, oder, noch besser, pinkeln. Meine Halterin wäre, angesichts eines solchen Ansinnes, oder noch schlimmer, der Tat, hellauf entsetzt, da wäre es vorbei mit "Prinzessin Puppele", also lasse ich es lieber, rolle mich gemütlich zusammen und erzähle eine weitere Geschichte aus meinem Leben.
Wie ihr wißt, wohnte ich ursprünglich ganz woanders, in einer hübschen kleinen Wohung mit Blick auf einen großen grünen Park mit dem sinnigen Namen "Grimmelschanze". Aus Erzählungen von Lizzy und ihrer Mama bekam ich heraus, dass dieser herrliche Park ursprünglich einer Familie namens Grimmel gehört hatte, welche den Park zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte und schließlich in den Besitz der hiesigen Heimatstadt gelangte. Großzügige Leute, dachte ich so bei mir, aber was war eine Schanze? Das Wort klang altmodisch, irgendwie beschützend, aber gleichzeitig bedrohlich. Ich grübelte und grübelte, aber mir fiel dazu nicht wirklich etwas ein. Nun es kam der Zeitpunkt, da sollte ich es erfahren....
Es war ein sonnig-angenehmer Tag Anfang Juli, ich saß auf meinem Lieblingsplatz auf dem Balkon, da fuhren in den Park etwas merkwürdige Autos und noch merkwürdigere Leute stiegen aus, mit Rauschebärten und langen, ungepflegten Haaren.
Nein, ich meine nicht die Mitarbeiter der hiesigen Stadtgärtnerei mit ihrer orangefarbenen Arbeitskleidung, ihren Rasenmähern und Blumenkisten, nein, die kannte ich genau; das waren ganz andere Menschen und sie machten keinen vertrauenerweckenden Eindruck!
Doch aus meiner sicheren Warte heraus konnte ich sie weiter beobachten. Sie gaben sich unheimlich wichtig, rannten etwas kopflos durcheinander und machten an einem einzigen Tag mehr Lärm als die Gärtner, die sonst den Park pflegten.
Als Lizzy am Abend nach Hause kam und mit mir und meinem Bruder auf dem Balkon saß, machte sie ein langes ärgerliches Gesicht. Später, als sie noch mit ihrer Mama telefonierte, wurde sich richtig ärgerlich. Aber nicht auf mich und meinen Bruder, sondern auf die Leute, die sich im Park so hektisch benahmen. Ich fragte mich, warum sie denn auf diese Menschen so böse war, denn ich fand es mittlerweile witzig, wie sie sich alle Mühe gaben, Zelte aufzubauen und Zäune aufzustellen; sollte da jemand am weglaufen gehindert werden, so wie die Kühe auf der Wiese? Ich kringelte mich innerlich, als ich mir das vorstellte.
Die Tage vergingen und die Menschen, die voller Eifer gearbeitet hatten, erschienen plötzlich in ganz anderer Kleidung: war denn Fasching im Sommer? Nun gut, auch Lizzy zog sich manchmal ungewöhlich an, aber so? Was war da im Gange, zumal Lizzy immer schlechter gelaunt war?
Ich lag am nächsten Tag schläfrig und zufrieden im sonnendurchfluteten Wohnzimmer auf dem Sofa und träumte mich gerade in den wohlverdienten Katzenschlaf hinein, da krachte es fürchterlich. Mein Bruder und ich schoßen hoch, was war das? Ein Gewitter am hellichten Tag? Nein, das konnte nicht sein! Es war auch tatsächlich nicht so, denn diese verkleideten Menschen aus meinem geliebten Park veranstalteten diesen wahrhaften Höllenlärm, so dass mein Bruder und ich ins Bad flüchteten. Da roch es nicht nur gut und war angenehm kühl, sondern man hörte von diesem abscheulichen Lärm so gut wie gar nichts, der bis in späte Nacht hinein dauerte und zwar jeden Tag.
Wie ich aus den Telefonaten von Lizzy erfuhr, war das ein Historienspiel und nannte sich Lagerleben auf der Grimmelschanze, nach einem sehr gut befestigten Teil der Stadtmauer, aber mußte man da so einen unmusikalischen Krach machen?
Unsere Lizzy war nicht mehr nur wütend, sondern buchstäblich geladen, weil diese komischen Menschen ihr Essen am offenen Feuer kochten, ein vernünftiger Menschen benutzt dazu einen modernen Herd, und der widerlich beißende Rauch in die Wohnung zog. Sie telefonierte in dieser Zeit viel mit ihrer Mama und versicherte ihr, in vier Jahren, wenn es das nächste Historienspektakel gab, hier gewiß nicht mehr zu wohnen.
Ihrer Mama gelang es, sie jedesmal zu beruhigen und fragte sie, ich weiß nicht ob es im Scherz gemeint war, ob es regnen solle. Lizzy meinte: ja, am besten die Restwoche. Und tatsächlich: in der Nacht begann es zu regnen, wollte nicht aufhören, schüttete aus Kübeln. Meine Lizzy konnte jetzt die Fenster und die Balkontüre öffnen, feuchte, würzige Luft kam herein, es tat so richtig gut.
Oh, Lizzys Mama kann Regen machen, sie ist eine Hexe, dachte ich erfreut, aber sie konnte nur Wind und Wetter gut beobachten und daraus ihre Schlüsse ziehen, schade eigentlich...
Die Menschen im Park machten weniger glückliche Gesichter, verdrießlich blickten sie zum Himmel, der sich davon aber nicht beeindrucken ließ, sondern weiterhin Wasser schickte. Da war es dann aus mit Lärm, Rauch und Gestank; ich glaube nicht, dass es mir jemand übel nahm, dass ich mich richtig darüber freute, Menschen nennen es Schadenfreude, und ich ein Dankesgebet an die Göttin Bastet schickte.
Am Abend des dritten Tages kam dann die Sonne wieder heraus und ich befürchtete schon, dass das, was ich nicht mochte und fürchtete, wieder eintreten würde. Nichts davon kam: nur in den großen Pfützen vergnügten sich die Kinder.
Wahrscheinlich war das Holz zum anzünden zu naß und die Instrumente eingerostet.
So verging der Rest der Woche, die Menschen zogen sich wieder normal an, manche waren wohl erkältet, denn sie niesten und husteten und begannen, ihre Zelte wieder abzubauen, diesmal im normalen Tonfall und ganz ohne diesen entsetzlichen Gestank.
Als dann alles weg war, sah mein geliebter Park wie ein Schlammfeld aus: der Rasen aufgerissen und jämmerliche, schwarz umrandete Feuerstellen gähnten mit entgegen. Ich hätte weinen mögen, doch in den kommenden Wochen taten die Gärtner ihr möglichstes, um alles wieder kultivieren: setzten Rasen neu, planzten Blumen nach und so duftete es wieder nach Bäumen, Sträuchen und Blumen
Göttin Bastet sein Dank, lebe ich jetzt in einem anderen Haus und meine Halterin, ich sitze gerade neben ihr und bebachte sie, wie sie meine Geschichte eintippt, hat mir hoch und heilig versichert, dass wir in diesem Jahr, es ist wieder Historienspielzeit, unsere Ruhe haben werden.
So, und jetzt bekomme ich noch ein besonderes Leckerli und erzähle das nächste Mal eine weitere Geschichte: vielleicht vom Tierarzt?
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