Unlängst wurde ich von einem lieben und geschätzten Leser gefragt, wie ich eigentlich zu Oscar Wilde gekommen bin.
Wer mich kennt, dem wird aufgefallen sein, dass er eindeutig zu meinen Lieblingsschriftstellern gehört und ich ihn oft und gerne zitiere.
Ich selbst bezeichne mich gerne mit dem altmodischen Begriff "Wildeianerin".
Nun wie bin ich zu Oscar Wilde, meinem verehrten und geliebten "Ossi" gekommen?
Gute Frage, denn die Ursprünge dieser Leidenschaft und Begeisterung für Wilde reichen weit zurück, genauer in die Anfänge meiner Teenagerzeit.
Meine erste Berührung mit Wildes Erzählungen hatte ich in einem alten Sammelband mit Horrorgeschichten. Zu diesen Horrorgeschichten, die auch Erzählungen von Poe, Gerstäcker und Stevenson enthielten, zählte auch "Das Gespenst von Canterville" von Wilde.
Ich fand den Anfang der Erzählung zunächst recht lustig, denn ein Gespenst, das mit Farben aller Art hantierte und eher von den Bewohnern seines ehemaligen Schlosses traktiert wird, war schon etwas abseits von den üblichen Erzählungen. Dann hatte ich schon eher Mitleid mit dem Gespenst, Sir Simon de Canterville. Ich wußte aus der Erzählung, dass Sir Simon ein übler Kerl gewesen war, so rührte mich doch der Fluch, dass er solange geistern müsse, bis er einen Menschen finden würde, der für ihn weinen würde, weil er keine Tränen mehr hatte, der für ihn betete, da er selbst keinen Glauben hatte und ihn zum Engel des Todes begleiten würde, um für ihn um Gnade zu bitten. Oh, wie gerne hätte ich mit Virginia Otis getauscht, um der armen Seele zu helfen! Wie weich mein Herz damals noch war, denn im Laufe meines Lebens habe ich erfahren, wie selten Gutes belohnt wird....
Die Erzählung war jedenfalls so recht nach dem Geschmack eines jungen, unerfahrenen Mädchens!
Aber auch heute lese ich die Erzählung immer noch gerne, weil sie für mich eine poetisches Märchen ist, eben typisch Wilde. Wie gerne hätte ich ihn einmal als Erzähler, als "wit", ein englische Wort für das es keine geeignete Übersetzung gibt, erlebt!
Später kaufte ich von meinem Taschengeld einen Sammelband "Das Bildnis des Dorian Gray und andere Erzählungen". Damals machte ich das erste Mal bewußt die Erfahrung, wie man über Wochen an der "Lesenadel" hängen kann, wie man von der Leserin zur Süchtigen wird. Ja, schon damals zog mich "Das Bildnis des Dorian Gray" in seinen Bann, denn es war auch ein Roman aus der Zeit des "fin de siecle", einer Zeit, die mich seit langem faszinierte. Die Zeit war geprägt von einem Schwanken zwischen Aufbruchsstimmung, Zukunftseuphorie, diffuser Zukunftsangst und Regression, Endzeitstimmung, Lebensüberdruss, Weltschmerz, Faszination von Tod und Vergänglichkeit, Leichtlebigkeit, Frivolität und Dekadenz. Diese Gegenkultur zum bürgerlichen Leben, das seinen Ausruck in den Kultfiguren Bohemien, Dandy, Snob und Femme fatale fand. Ich vergleiche diesen Zeitabschnitt gerne mit der "Titanic", denn man fuhr mit voller Kraft letztlich ins Verderben und es gingen mit dem I.Weltkrieg nicht nur alle Lichter aus, sondern eine Epoche versank in unbegreiflicher Dunkelheit.
Da meine Mutter auch gerne las, berichtete ich ihr von meinem Interesse an Oscar Wilde. Doch da kam mein Interesse schlecht an und meine Mutter meinte, der sei ohnehin nur ein fauler, schwuler Kerl gewesen, der nur vom Geld seiner Frau gelebt hätte. Oha, das waren ja nicht wenige Vorurteile! Und weil ich schon damals nichts weniger als Vorurteile mochte, setzte ich mich auch mit dem Menschen Oscar Wilde auseinander. Alles greifbare las ich über ihn, was damals gar nicht so leicht war, da es noch kein Internet, aber dafür die Fernleihe aus der Stadtbibliothek gab. So sog ich alles über ihn ein: seine Erzählungen, Kurzgeschichten, Essays, seine Biographie. Und da wir am Ort ein Theater haben, das auch einmal des eine oder andere Theaterstück von ihm gab, war ich auch dort eine eifrige Besucherin.
Und als ich mit meinem damaligen Freund, der schon lange mein geliebter Mann ist, wieder einmal nach Paris fuhr, ging ich auf den Friedhof Père Lachaise, um dort seinen Grabstein zu küssen, in der vagen Hoffnung, dass Oscar leibhaftig vor mir stünde.....naja, lassen wir das.
Später kaufte ich noch Bücher von und über Oscar Wilde und bevölkerte damit meine Bücherregale.
Das ist mein Lieblingsbuch über ihn: Holland, Merlin - Das Oscar-Wilde-Album
Dann entdeckte ich, von "Das Bildnis des Dorian Gray" immer noch fasziniert, bis heute fasziniert, dass man daraus gut zitieren und ein schockieren konnte. Oh, ich könnte Lord Henry Wotton für sein loses Mundwerk, seine spitze Zunge immer noch küssen und gleichzeitig ohrfeigen!
Wenn immer ich ein Buch von oder über Oscar Wilde aus dem Regal nehme, so ist es, als wenn ich einem guten Freund begegnen würde. Und wenn ich mir dann noch eine Tasse Tee und ein paar Kekse zur Lektüre gönne, dann ist er mein gern gesehener Gast, der mich brilliant unterhält, der lacht, der erzählen kann.
Wie könnte ich ihm widerstehen?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen