Samstag, 28. Mai 2016

Mein Lesetagebuch - Teil 10

Manchmal frage ich mich auch: was wollte er eigentlich vor Gericht erreichen?
Ihm wurde im ersten Prozeß ein "Deal" angeboten: gegen ein komplettes Vollgeständnis sowie die fachärztlich bestätigte Erklärung geisteskrank zu sein, eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Er lehnte ab!
Wieso nur, ihm muß doch klar gewesen sein, dass es hier keinen Freispruch geben würde oder zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe, sondern nur lebenslänglich oder den Tod.
Was steckte da in ihm drin? Eine unausgesprochene Erkenntnis, ich habe getötet und werde dafür mit dem Tode bestraft oder eine generelle Todessehnsucht?
Serienmörder wie er fallen nach ihrer Tat/Taten oft in Depressionen, nicht selten mit der Absicht, sich selbst zu töten oder ist es die Erkenntnis, getötet zu habe und dafür selbst den Tod zu verdienen? Wir werden es nie genau erfahren, da er, wenn explizite Fragen gestellt wurden, er es beinahe meisterhaft verstand, darum herum zu reden; am Anfang war der Fragesteller genauso schlau wie zuvor.
Dass er selbst in den Tagen vor seiner Hinrichtung an Selbstmord dachte, und auch in der Lage gewesen wäre, ihn auszuführen, ergab nicht nur seine eigene Aussage, sondern auch der Fund von dementsprechenden Gegenständen bei der Reinigung seiner Zelle nach seinem Tod.
Was hielt ihn nun davon möglicherweise ab? Feigheit, die Absicht, mit dem Tod zu sühnen oder die Angst, als Selbstmörder von Gott verworfen zu werden?
Da ihm die seelsorgerische Betreuung von Monsignore Kerr wichtig war und er große Teile der Todesnacht im Gebet verbrachte, denke ich, dass religiöse Gründe den Ausschlag gegeben haben.

Zu diesem Thema habe ich einige Tage Pause gemacht, denn ich habe ein bischen Abstand gebraucht und habe mich noch einmal eingehend mit seiner Kindheit beschäftigt.
Es ist mir immer noch nicht begreiflich, dass seine Mutter ihn als Kind quasi verleugnet hat, auch wenn es für ledige Mütter um diese Zeit in Amerika nicht leicht war. 
Sie hätte immer die Möglichkeit gehabt, in eine der großen Städte zu gehen, Arbeit hätte sie bestimmt gefunden, sie war immerhin 22 Jahre alt und hatte eine abgeschlossene Ausbildung als Sekretärin, und ihr Kind mitzunehmen. Und als Vater hätte sie, wenn´s überhaupt in einer großen Stadt jemanden interessiert hätte, einen angeblichen Verlobten angeben können, der im Krieg gefallen oder vermißt gewesen wäre. Das wäre zwar auch ein Lüge gewesen, aber nicht so schlimm wie die Kindsverleugnung.
So galt das Kind als "Nachzügler" ihrer Eltern und wurde von diesen in den ersten Jahren aufgezogen. Später als seine Mutter ihren späteren Mann kennengelernt und auch geheiratet hatte, zog sie mit ihm nach in die Nähe von Tacoma und nahm ihren "kleinen Bruder" mit. Das Kind reagierte demensprechend bockig, wurde es doch von seinen "Eltern" getrennt und lehnte den Mann seiner "Schwester" ab.
Man versetze sich in die Lage des Kindes: ich werde von meinen Eltern getrennt, die wollen mich nicht, die geben mich meiner Schwester mit! Ich kann nichts dagegen tun, ich bin machtlos. Es hat die Botschaft empfangen, das es keinen Wert besitzt, seine Bedürfnisse ignoriert werden. Es empfindet sich als gedemütigt, zutiefst verletzt und kapselt sich ab. Dazu paßt, dass der Junge am liebsten mit seinem Hund alleine loszog, nur wenige Freunde hatte und später, als Jugendlicher, allein mit seinem Auto herumfuhr.
Seine sozialen Kontakte auf der Uni waren anfangs gleich Null,, das sagte nicht nur er selbst von sich, sondern auch seine Mutter.
Dann kam dieser verhängnisvolle Fund der Geburtsurkunde, er entdeckte, dass der unehelich war und damit kam die radikale Veränderung: aus dem introvertierten Menschen wurde ein aktiver, extrovertierter Mensch.
Innen sah es ganz anders aus: sein Selbsthass muß sehr groß gewesen sein, geboren aus Scham und Ekel, er glaubte, er hätte es nie verdient, mit Respekt oder liebevoll behandelt zu werden.
Dieser Selbsthass drückte sich wie folgt aus: er versuchte, nach außen gut und perfekt zu sein. Er stürzte sich in sein Zweitstudium, arbeitete hart, engagierte sich politisch - all das brachte die ersehnte Anerkennung und half, die negativen Gefühle im Inneren auszugleichen, die massiven Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren.
Doch auf Dauer half es nichts, ich schrieb ja schon, dass es von der Entdeckung des "Familiengeheimnisses" bis zum ersten Mord fünf Jahre dauerte.
Das Gefühl der Machtlosigkeit, er hatte in den Jahren des Aktivismus dissimuliert, war immer noch da. Liebe im echten Sinn hatte er nie erfahren: da standen Lüge und Verachtung - Liebe war für ihn schmerzlich, verwirrend, wohl auch gefährlich. Wenn jemand zu ihm sagte:" ich liebe Dich", konnte er es nicht wirklich annehmen, weil die weiteren Reaktionen, für ihn, nicht vorhersehbar waren. Es hätte ein Lüge sein können, eine Täuschung, eine Demütigung....
Er entwickelte über die Zeit ein übertriebenes Bedürfniss nach Kontrolle, dazu kam das der Wunsch zu strafen....

Um seine Vorgehensweise gegenüber seinen Opfern zu verstehen, darf man nicht vom ersten Mord ausgehen, sondern von dem Amoklauf, anders kann man es nicht bezeichnen, im Chi-Omega-Studentenwohnheim. Er prügelte dort im Mordrausch mit einem Eichenstock, wahrscheinlich war es ein Baseballschläger, auf die Köpfe der zwei Studentinnen ein, bis sie sich nicht mehr rührten. Erst dann kam der sexuelle Mißbrauch.
Das unterscheidet ihn ganz deutlich von Kürten oder Haarmann, die auch Gewalt gebrauchten, um zum sexuellen Höhepunkt zu gelangen, dann aber vom Opfer abließen oder es anschließend töteten.
Bei ihm standen brutale Prügel, die bewußt den Tod des Opfers in Kauf nahmen, oder wohl eher das Ziel war, im Vordergrund. Bei weitem nicht alle Opfer wurden vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißbraucht, sondern viele regelrecht totgeprügelt. Prügel, Schläge, Agressionen - immer zuerst auf den Kopf, dann auf den restlichen Körper - warum?
Über Gesicht und Kopf nehmen wir zuerst die Persönlichkeit wahr, wie sie, z.B. durch Frisur, Make up oder Mimik betont wird. Also zerstörte, tötete er zuerst einmal die Persönlichkeit, das Erscheinungsbild: das Bild der Schwester!
Daher auch die raffinierte Methode, die Opfer anzulocken: natürlich zuerst einmal, um die Hilfsbereitschaft auszunutzen, das ist die reale Ebene, im Unterbewußten die große Schwester soll dem kleinen Bruder helfen!
Seine Opfer waren alle im Alter zwischen 17 bis 21 Jahre - seine Mutter war 22 Jahre alt, als sie ihn auf die Welt brachte....

Es gibt noch eine Komponente, die ich beleuchten möchte: die religiöse Seite in seinem Wesen. 

Dazu zum besseren Verständnis: Religiosität war immer ein Grundzug Amerikas. Der französische Politker Alexis de Toqueville (1805-1859) bezeichnete die Grundlage der US-Demokratie als Religion mit demokratischen Zügen: "Von Anfang an waren Politik und Religion einig, und sie haben nicht aufgehört, es zu sein."
Dieser Satz gilt noch heute.
Religion ist für die Amerikaner Fundament eines Lebens, das Freiheit als gestalterische Kraft erlaubt.

Weiter vorne schrieb ich schon einmal, dass es ihm, laut eigener Aussage, bewußt war, in den Augen Gottes Böses getan zu haben. Er engagierte sich in seiner methodistischen Gemeinde, besonders in der Jugendarbeit.Nun kam dieser Schicksalstag, an dem er von seiner unehelichen Geburt erfuhr. Es muß für ihn eine komplette Welt zusammengebrochen sein, besonders weil die christliche Erziehung in seinem Elternhaus intensiv gepflegt wurde. Lüge, sein ganzes Leben bis jetzt eine Lüge! Seine Mutter hatte bis jetzt immer das Gebot (jetzt verkürzt ausgesprochen) "Du sollst nicht lügen", gebrochen, es war ihr sogar zur Selbstverständlichkeit geworden! Es gab bei ihm bestimmt Gedankengänge, ähnlich diese: "Gott, ich habe Dir bis jetzt gedient, ich habe mich engagiert,ich habe zu Dir gebetet und Du läßt zu, hast zugelassen, dass ich belogen werde. Dass ich unerwünscht war, dass man mich verleugnet hat, ich unwert gewesen bin, ihr Sohn zu sein. Wenn Du mich lieben würdest, hättest Du das nicht zugelassen!!" Der Bruch war da und er war groß, die Wut ebenso, auch die Verzweiflung. Ich denke, aus der Wut-Verzweiflung heraus wurde der Gedanke geboren, Gott herauszufordern, durch Taten (die Morde) und Gedanken (...man ist Gott!...).

Abschließend habe ich mir natürlich Gedanken zu seiner Rückkehr zum Glauben und seine Konversion zum katholischen Glauben gemacht.
Die Information zur Konversion habe ich ausschließlich auf englischsprachigen Seiten gefunden, da sind unsere deutschsprachigen Informationen etwas lückenhaft.
Kurz und gut: der Priester, der die sterbenden Studentinnen im Chi-Omega Wohnheim betreute, Monignore William Kerr, wurde von Ted Bundyum seelsorgerischen Bestand gebeten. Kerr wurde später gefragt, warum er das nicht abgelehnt hätte, und Kerr antwortete, dass selbst Serienmörder eine Seele hätte und der Gnade bedürften.
Nebenbei bemerkt: eine Konversion in einer Notsituation ist keine komplizierte Angelegenheit.
Bundy beichtete, tat Buße und kommunizierte. Kerr, der ihn fragte, warum er seine Tötungen im Wohnheim, er war ja in einem wahren Blutrausch, abgebrochen hätte, gestand Bundy, ihn hätte in einem Zimmer eine unsichtbare macht zurückgehalten (es stellte sich heraus, dass eine Studentin mit dem Rosenkranz in der Hand eingeschlafen war).

Gut, man kann jetzt sagen: der Mann hat Theater gespielt, dem war nicht ernst oder heilig, aber man muß bedenken, dass niemand in eine Seele, vor allem so kurz vor dem Tod blicken kann....

Das war jetzt der letzte Beitrag zu meinen Analysen über Ted Bundy, es hat mich mitgenommen, beschäftigt und so kann ich das Thema jetzt abschließen.

Mein Lesetagebuch - Teil 9

Was mich aber dennoch immer verwundert: warum beißen, solche Menschen, jetzt bildlich gesprochen, während ihrer Haftzeit nicht in die Gitterstäbe ihrer Zellen?
Sie müßten doch jetzt das Personal, Mithäftlinge oder auch gegen sich selbst vorgehen?
Ich habe einmal, als ich über Peter Kürten nachlas, eine interessante Passage gefunden. Darin hieß es, dass seine, nachdem er eine heftige Hungersnot im Gefängnis erlebt hatte, er saß während des 1. Weltkrieges im Zuchthaus, blutrünstigen Triebe völlig erloschen waren. Nach Beendigung seiner Haftstrafe suchte er eine seiner Schwestern auf, sie war weitab ihrer Heimatstadt verheiratet, log ihr vor, er sein in russischer Gefangenschaft gewesen, lernte dort seine spätere Frau Auguste kennen, ging zur Arbeit in die Fabrik, wurde Mitglied im Arbeiterrat und führte über mehrere Jahre ein unauffälliges Leben.
Läßt die Unfreiheit und der Mangel an Gelegenheit den Hirnstoffwechsel sich normalisieren? Oder die Angst vor erneuter Strafe?
Kürten wurde jedenfalls wieder rückfällig, beging weitere Morde, bis er seiner Frau gestand, der von der Polizei dringend gesuchte Mörder zu sein. Sie ging umgehend zur Polizei, er wurde verhaftet. 
Er entsprach im übrigen genau dem Profil, dass Ernst Gennat, ein bekannter Kommisar aus Berlin, von ihm erstellt hatte: somit war Gennat der erste Profiler und nicht Ressler.
Kürten führte stundenlange Gespräche mit Professor Berg, einem sehr behutsamen Psychologen, der dadurch schauerliche Einblicke in Kürtens Psyche gewann. Berg schrieb darüber später ein Buch, es ist heute wieder erhältlich.

Wie ich schon schrieb, sind Gefühllosigkeit und außerordentliche Fähigkeit zur Manipulation typisch für Psychopathen. Weniger deutlich, nur gelegentlich hinter Zornesausbrüchen, wie bei Bundy in seinem zweiten Prozeß, zu erahnen, ist die "schwarze Wut", die Wut, die keine Schranken kennt, keine Sperre, die unter der charmanten Oberfläche schwelt.
Fügt man diese Wut zur emotionalen Distanz und zu einem beinahe vollkommenen Mangel an Mitleid und Gewissensbissen hinzu, haben wir einen chemischen Prozeß, der, ich denke dabei an Stevenson, Dr. Jekyll in Mr. Hyde verwandelt. Die exakte Chemie dieser Umwandlung werden wir nie ganz verstehen. Kann eine Stirnlappenanomalie, bei Bundy nachweislich nicht vorhanden, einen Menschen zum Psychopathen machen? Oder entwickelt sie sich, weil der Mensch ein Psychopath ist? Kann sich der Hirnstoffwechsel normalisieren, wenn diesen Menschen harte Grenzen gesetzt werden (siehe Passage über Kürten)? 
Aber selbst Psychopathen haben eine konkrete Furcht: erwischt zu werden. Der Gedanke, verhaftet zu werden und für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden, erfüllt sie mit Schrecken. Sie werden alles tun, alles versuchen, es zu verhindern. 
Sitzen sie dann lebenslänglich hinter Gittern oder sie erfahren, dass sie mit ihrem eigenen Leben für ihre Taten büßen müssen, kehrt Klarsicht über ihre Taten ein oder weicht das Böse aus ihrer Seele?
Ted Bundy wartete jedenfalls beinahe neun Jahre, bis die Todesstrafe an ihm vollzogen wurde. In dieser Zeit heiratete er sogar und dachte sich wohl, dass nach dieser langen Zeit die Todesstrafe in "lebenslänglich" umgewandelt werden würde. Doch er täuschte sich, der Gouvaneur bestätigte endgültig das Todesurteil und es wurde ihm etwa sechs Tage vor Vollzug mitgeteilt. Da fiel das charmante Wesen von ihm ab, man sah ihm die Angst an: er schlief schlecht, weinte ständig und das Gesicht war wie versteinert. Dann gestand er detailliert weitere Morde, daher kennt man auch die genaue Anzahl. Und er bat Monsignore William Kerr, der Priester, der die Sterbenden im Chi Omega betreut hatte, sein Seelsorger zu sein. Kerr blieb bis zwei Tage vor der Hinrichtung bei ihm und Ted Bundy konvertierte....wie groß war wohl seine Angst?

Ja, wie groß war wohl seine Angst?
Standen ihm seine Opfer vor Augen, die ihn anklagend ansahen oder fiel ihm einer seiner berüchigten Sätze ein:
"You feel the last bit of breath leaving their body. You're looking into their eyes. A person in that situation is God!"
(Übersetzung:"Du fühlst wenn das letzte bisschen Atem ihren Körper verläßt. Du siehst in ihre Augen. Eine Person in dieser Situation ist Gott!")
So ein Satz, so ein Vergleich, so eine übermütige Überheblichkeit gilt in jeder Religion als Lästerung!

Ich schrieb schon Eingangs, dass er in seinen Gesprächen immer wieder auf ein christliches Elterhaus hinweist und dass Kirchenbesuch und Engagement wichtig war, dass es ihm wichtig war. Ich bin sicher, dass er aus Wut und Enttäuschung, vielleicht auch aus dem Gefühl heraus, unerwünscht zu sein, nicht nur von den ihm am nahestehensden Menschen, sondern auch von Gott, diese Tür zugeschlagen hat, nach dem Motto: Jetzt zeige ich es euch allen!
Ich schrieb weiterhin, dass es ihm schon bewußt war, Böses getan zu haben, auch in den Augen Gottes. Es war da also schon eine Stimme in seinem Inneren, sein Gewissen, das da anklopfte; er ließ es draußen und machte es sozusagen "mundtot".
Und dann gab es diese lange Zeit, in der er hoffen durfte, dass sein Todesurteil in lebenslänglich umgewandelt werden würde - nun wird die Berufung abgelehnt, das Todesurteil wird bestätigt!
Nichts läßt sich mehr verdrängen, es bleiben nunmehr sechs Tage Lebenszeit und dann? Dann muß er Rechenschaft abgeben und er weiß, dort steht dann nur die nackte Wahrheit. Alles fällt ihm wieder ein, was ihm einmal, vom Glauben her, wichtig war: er kann nicht schlafen, er weint, er will nicht sterben - nichts läßt sich ändern, nichts wieder gut machen....Angst, Angst, Angst!
Er bittet, wie schon erwähnt, Monsignore William Kerr zu sich. Zwei Tage: er konvertiert und erhält die Sterbesakramente. Doch die Angst bleibt: in der Todesnacht betet er stundenlang mit Freunden, bittet Kerr telefonisch, ihm zum Zeitpunkt der Hinrichtung eine Messe zu lesen.
So sieht seine Angst aus und nichts ist von seinem Übermut geblieben....

Es ist schon erstaunlich, dass ein Mensch wie er, der das Leben anderer nur gering oder überhaupt nicht geachtet hat, so sehr an seinem eigenen hängt. 
Dass er sich seines Glaubens erinnert, oder wieder Raum gibt, das Gewissen erwacht, er Furcht vor Gott hat; man nennt dies Angst- oder Furchtreue.

Mein Lesetagebuch - Teil 8

Ein kleiner zusätzlicher Einschub: es wird zur Erklärung seines Verhaltens oft angeführt, dass er in seiner Kindheit oft allein mit seinem Hund in die Umgebung loszog und später, als er sein erstes Auto hatte, oft alleine hinaus fuhr oder auch in seiner ersten Studienzeit zur Uni ging, studierte, nach Hause kam und weiterarbeitete.
Das halte ich für eine gefährlich-dumme Erklärung.
Es gibt nun einmal introvertierte Menschen, die in der Lage sind, mit sich allein sein zu können und dabei auch keine Langeweile verspüren: die sind sich einfach oft selbst genug.
Wie ich schon gesagt habe: ich halte die Entdeckung seiner unehelichen Geburt und das das daraus resultierende Verhalten seiner Mutter, ihn als ihren Bruder auszugeben und zwar bis zu seiner Entdeckung, das war er ein erwachsener Mann, für den "Drehpunkt" , in seiner Psyche. 
Der erste Mord geschah nicht 1969, dem Jahr der "Entdeckung", sondern 1974, also fünf Jahre später. Man weiß nichts über die Gedanken in dieser Zeit, er hat nichts drüber gesagt, es muß ein Cocktail aus Trauer, Wut, Zorn und ständigen Grübelns über das "warum?" gewesen sein, bei dem Erklärungen seitens seiner Mutter vielleicht an der Oberfläche akzeptiert wurden, aber innerlich ist er "aufgekocht": der Gehirnstoffwechsel änderte sich langsam ab.
Untersuchungen am lebendigen und arbeitenden Gehirn von Psychopathen zeigen, dass es im vorderen Stirnlappen eines Psychopathen deutlich weniger neuronale Aktivität gibt als bei normalen Personen.
Das legt die Vermutung nahe, dass die Hemmungen und Sperren, die die meisten von uns Gewaltakten und Ausleben unserer mörderischen Impulse abhalten, im Stirnlappen des psychopathischen Gehirns nicht vorhanden .

Gedanken und Situationen, die die meisten Menschen innehalten lassen, Betroffenheit und Furcht auslösen und zur Unterdrückung grausamer gewalttätiger oder illegaler Impulse führen würden, hinterlassen keine Spuren im psychopathischen Hirnlappen.
Die Versuchung, zu stehlen, zu vergewaltigen,jemanden zu überfallen, zu lügen oder irgendetwas anderes zu tun, was andere schädigen, verletzen oder demütigen könnte, ist für den Psychopathen nichts besonderes.

Zu den Symptomen der Psychopathie gehören: Stehlen, Lügen, Drogenmißbrauch, finanzielle Unverantwortlichkeit, die Unfähigkeit Langeweile auszuhalten, Grausamkeit, von zu Hause fortlaufen, Promiskuiät, Gewaltbereitschaft, Mangel an Gewissensbissen.
Untereinander weisen Psychopathen ebenso viele Unterschiede auf, wie Nichtpsychopathen. Psychopahten können promisk sein und lügen, sich aber finanziell verantwortlich verhalten. Vielleicht quälen sie Tiere, neigen aber nicht zu Alkohol- und Drogenmißbrauch. Oder sie quälen Menschen, aber keine Tiere. Sie begehen mehrere Morde sind aber nicht promisk. Die antisozialen Verhaltenweisen lassen sich endlos kombinieren.
Doch ein ganz besonderer Wesenzug ist allen Psychopathen eigen: sie kennen keine Reue, keine Schuldgefühle, kein Gewissen.

Einem Psychopathen ist jedes Mittel recht, sein grausiges Vorhaben in die Tat umzusetzen. Vertrauen zu erwecken, bevor man den Mord begeht, gehört zu seinem Drehbuch, und das verlangt schauspielerische Fähigkeiten, ega,l ob der Täter jemals auf einer Bühne gestanden hat oder nicht.
Diese Menschen snd außerordentlich gerissen und führen Doppelleben, so dass selbst nahe stehende Freunde, in diesem Fall nenne ich Anne Rule, und Angehörige meist keine Ahnung haben, dass sich hinter der liebenswürdigen Maske ein, nennen wir es Ungeheuer verbirgt, dass sich erst unmittelbat vor dem Angriff zu erkennen gibt. Ich schrieb schon zu Anfang, dass, wenn man seine Vorgehensweise, das Motiv kennen will, man vom letzten Fall, den Morden im Chi Omega Studentenwohnheim ausgehen muß.
Was diese Menschen tun, ist allen Phantasien und Gefühlen, die die meisten von uns je gehabt haben, völlig fremd. Wir alle besitzen die Fähigkeit zum, nennen wir es noch einmal der Einfachheit halber das Böse, aber Psychopathen sind nicht wie wir alle.
Psychopathen sind unfähig, Liebe zu empfinden. Wenn sie etwas zeigen, was Reue, Kummer oder Trauer zu sein scheint, geschieht es aus reiner Berechnung und entspringt den eigenen Bedürfnissen, nicht aber echter Rücksichtnahme auf die Interessen anderer, zumindest in den Anfängen. Wenn sie lange in Gefangenschaft sind, und damit meine ich wirklich lebenslänglich (wie in den USA), anschließender Sicherheitsverwahrung (wie bei uns) oder der Vollzug der Todesstrafe bevorsteht, scheint sich Normalität durchzusetzen, Nüchterheit, Einsicht und/oder Reue.
Man bemerkt leider von außen nicht, wenn ein Mensch ein Psychopath ist. Denn sie sind oft attraktiv, charismatisch, charmant und überdurchschnittlich intelligent. Und in der Ausführung ihrer Pläne und Vorhaben wohl organisiert: Ted Bundy, um den es hier geht, rechnete mit der Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen, indem er einen Arm in der Schlinge trug oder auf Krücken humpelte und um Hilfe bat....

Mein Lesetagebuch - Teil 7

Wenn man über seine Taten nachliest, so stößt man darauf, dass er nekrophil gewesen sein soll, was meines Erachtens nach nicht stimmt.
Man darf nicht vergessen, dass er selbst Psychologe war und es meisterhaft verstand, Leute zu manipulieren.
Nekrophilie paßt einfach nicht ins Profil. Nekrophile begehen zwar sexuelle Handlungen an Toten, leben aber auch inmitten von Dreck und penetranten Gerüchen, kurz es stinkt bei ihnen (Jeffrey Dahmer war nekrophil, er bewahrte Leichenteile auf, bei ihm stank es, Nachbarn beschwerten sich häufig und er selbst war oft ungepflegt, beinahe verwahrlost).

Möchte man den eigentlichen Tathergang und die Motivation kennen, so muß man die Morde im Chi Omega Haus betrachten. 
Er prügelt die Opfer zuerst, was sich damit deckt, dass er, als er seine Opfer mit Gipsarm/Krücke um Hilfe bat, dies auch als erstes mit dem Brecheisen tat. Es sollte nicht nur zur Betäubung geschehen, er prügelte und schlug auf seine Opfer ein, dass sie schwerst verletzt und bewußtlos waren. Die Vergewaltigung, nicht immer geschehen und auch in der Regel mit Gegenständen, bzw. anal, war zweitranging. Prügeln, schlagen, nicht mit der Hand, sondern mit Brecheisen, Baseballschläger, Eichenstock - das war wichtig: ich schlag dich, du H..., Du N...., ich mach Dich platt, ich straf´ dich ab!
Die Schwere der Verletzungen, verursacht durch die Schläge, sprechen für sich....

Ein Nachsatz zu gestern: Nekrophile leben in der Regel allein, haben und hatten nie eine Beziehung, siehe Dahmer und Kemper, sind im Grunde beziehungsfähig, aber diese Fähigkeit wurde nie entwickelt, entweder durch Mißbrauch (Dahmer) oder die Unterdrückung dieser Fähigkeit durch andere (Kempers Mutter macht ihrem Sohn ständig klar, dass Mädchen zu gut für ihn seien; er arbeitete aber bei der Autobahnmeisterei und war lediglich schusselig).

Ted Bundy hingegen hatte Beziehungen, da war seine Freundin Stephanie in der Unizeit, später eine Frau mit Namen Meg, die sogar eine Tochter hatte.
Er gab auch zu, dass er zwischen diesen, nennen wir sie Mordräusche, ein normales Leben führte, studierte, arbeitete, sich politisch engagierte, Freunde hatte und gerne Skifahren ging. Wir dürfen annehmen, dass ein Mann, der Psychologie studiert hatte (mit Abschluß), Sinologie als weiteres Studienfach gewählt hatte und Jura dazu nahm, auch weitere Interessen hatte.

Das läßt nur einen Schluß zu: Ted Bundy war ein Psychopath, ein Begriff der heute so nicht mehr oft verwendet wird, sondern durch dissoziale Persönlichkeitsstörung ersetzt wird und als Krankheit anerkannt ist.
Bereits 1880 wurde die dissoziale Persönlichkeitsstörung als "moralische Irrsinn" diagnostiziert. In einem kriminologischen Buch aus dem Jahr 1893 wird der Psychopath, ich verwende diese Bezeichnung weiter, als "reiner Mörder" bezeichnet. Sie seien unfähig, den geringsten Abscheu über ihre grausame Tat zu empfinden.
In der Zeit nach 1900 wurde dieses antisoziale Verhalten durch die berüchtigte präfrontale Lobotomie behandelt, bei der man mit Hilfe eines eispickelähnlichen Instruments, das man durch die Knochen der Augenhöhle trieb, die Verbindungen zwischen Stirnhirn und dem übrigen Gehirn durchtrennte.

So, jetzt weiter im ursprünglichen Thema, in dessen Zusammenhang ich eine interessante Aussage von Bob Dekle gelesen habe:
"People think a criminal is a hunchbacked, cross-eyed little monster, slithering through the dark, leaving a trial of slime."
Ich habe es bewußt als Einstieg in die weiteren Ausführungen.
Psychopathen können Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene sein. Nicht immer sind sie gewalttätig, aber stets gefährlich, weil sie keine Regeln anerkennen und ihnen kein Leben etwas gilt, außer dem eigenen.
Psychopathen haben irgendeinen Faktor an sich, der uns fremd und unverständlich ist, und keiner kann mit Sicherheit sagen, ob dieser, nennen wir es noch einmal Faktor, durch genetische oder pathologische Ursachen hervorgerufen wird oder auf eine Verderbtheit, nennen wir es das Böse, auf höherer Art zurückzuführen ist.
Namhafte Psychologen bestätigen immer wieder, dass es ihnen möglich ist, viele Ursachen zu erforschen und zu untersuchen, sie aber eingestehen müssen, dass es einfach das sog. Böse auch gibt.