Dienstag, 26. April 2016

Eine kleine Katze namens Reza - Fortsetzung Teil 22

Einen wunderschönen guten Morgen,

draußen scheint die Sonne, die Vögelein pfeifen und es ist, obwohl es schon nach acht Uhr ist, noch ganz ruhig draußen. Aber das wundert mich nicht wirklich, denn gestern Abend, bis in die späte Nacht hinein, hatte ich eine wunderbare Gelegenheit Menschen nicht nur zu beobachten, sondern auch ihr Verhalten in der Gruppe zu studieren.

Das kam so: seit etwa drei Jahren gibt es bei uns gegenüber eine Gastronomie mit Hotel und Biergarten, wobei ich mir unter Biergarten etwas anderes vorstelle. Biergarten, das klingt nach gemütlich unter ausladenden Kastanienbäumen sitzen, aber hier ist es bloß ein dummer, zubetonierter phantasieloser Platz, der von großen dunkelroten Schirmen beschattet wird. Fraule nennt das Ganze, auch manchmal boshaft, Abfütterstation, wobei ich als Katzendame mich dort nie füttern ließe, denn das dort servierte Essen riecht öfters, wie soll ich sagen, chemisch...ja, chemisch, nicht so duftend wie aus Fraules Küche oder dem Cafe Kunz, das zwar im Innern des Antonierhofes liegt, aber manchmal trägt der Wind die Gerüche herüber....mmmmhhhh.
Aber darum geht es jetzt gar nicht. Im Biergarten des Hotels, es heißt übrigens "Barfüßer", komischer Name, wurde vorletzte Woche ein gigantisch großer Fernseher aufgestellt, der ist bestimmt zwanzig oder dreißig mal so groß wie der Fernseher, den Fraule und Herrchen haben. Ob es wirklich ein Fernseher ist? Ich glaube nicht, denn Herrchen sagte zu Fraule, dass es hier jetzt über die WM Public Viewing gäbe. WM, ja das wußte ich schon, ist eine große Veranstaltung, in der viele Männer einem Ball nachjagen, oh, ich könnte das bestimmt besser, und wenn sie in ein Ding namens Tor getroffen haben, jubeln sie und fallen sich in die Arme. Ein komisch gekleideter Mann ist auch dabei, der hat eine Pfeife um den Hals und zwei farbige Karten in der Tasche. Und wenn dann diese Männer grob miteinander spielen, dann nennt sich das Foul und der Mann bläst in die Pfeife und zeigt schon mal eine dieser farbigen Karten. Manchmal dürfen sie mit dem Ball dann auch direkt auf dieses Tor zielen, das nennt sich Elfmeter, und wenn getroffen wird, jubeln sie wieder. Lustige Spiele haben die Menschen.
Was aber ist Public Viewing? Ein englischer Ausdruck, aber für was? Also beobachtete ich diesen gigantischen Fernseher, vor dem die Menschen dieses, wie hieß es noch gleich, Public Viewing machen. Ich wurde nicht enttäuscht. An einem Abend postierte ich mich am Fenster, das zum komischen Biergarten hinausgeht und was geschah? Ah, der überdimensionierte Fernseher lief und Menschen strömten in den Biergarten, um noch einen Platz zu finden. Doch was war das? Viele trugen weiße T-Shirts mit Aufdruck, das nennt man Fanshirt, manche hatten Fahnen dabei, Hüte mit den gleichen Farben wie die Fahnen auf, manche hatten auch solche Striche, Schminke nennt man das, im Gesicht. 
Na, jedenfalls, setzten sie sich um die große Fernsehleinwand herum und als der Mann, Schiedsrichter genannt, das Spiel anpfiff, habe ich nicht gut aufgepaßt, guckten alle so gebannt hin, als käme aus der Leinwand ein Mäuslein gesprungen, ich hätte nicht besser vor dem Mauseloch lauern können.
Je nachdem, welcher der Männer, die in untersschiedlich farbige Trikots mit Nummern hintendrauf gekleidet waren, gerade mit dem Ball spielte, hörte ich "ahs" und "ohs". Dann wurden sie zeitweise ganz aufgeregt und mich wundert es, ehrlich gesagt, das keiner mit den unruhigen Füßen einen Tritt bekam. Ja, da sind wir Katzen im Vorteil: wir haben einen Schwanz, der auch ganz aufgeregt peitschen, aber niemandem weh tun kann.
Nach der ersten Halbzeit, dank Herrchen und Fraule, kenne ich mich da etwas aus, kamen die Leute aus dem Biergarten, rauchten, redeten miteinander, wie man wohl noch besser spielen könne, schade, dass sie nicht dabei waren, aber dann wäre der Rasen überfüllt gewesen, und manche gingen wohl auch auf die Toilette. Es gibt da so kleine Ferkel, die immer in die Büsche beim Haus oder sogar an die Hausecke pinkeln, wenn die wüßten, wie schön ich sie beobachten und belauern kann....
Naja, und dann gingen die Menschen wieder an ihre Plätze um weiter auf die große Leinwand mit den Spielern zu starren und das Verhalten war das gleiche wie vorher. Als der Schiedsrichter dann nach langer Zeit wieder pfiff, war da Spiel wohl zu Ende. Wahrscheinlich weil es mit der Zeit langweilig war, dem Ball hinterher zu jagen, auf dieses Tor zu schießen und sich dann in die Arme zu fallen. Wobei mir das in die Arme fallen gut gefällt, das erinnert mich an die Balgerei mit meinen Geschwistern aus meiner Katzenkinderzeit.
Die Menschen strömten dann aus dem Biergarten heraus, manche machten ein trauriges, viele aber ein fröhliches Gesicht. Sie schwenkten ihre Fahnen und freuten sich. Viele stiegen auf´s Radl und fuhren weg, aber ich mag die am liebsten, die Fähnchen am Auto haben, manche sogar richtig viele und dann den Berg auf und ab fahren. Da knattern die Fähnchen, die Menschen hupen und lachen. 
Und ich weißt jetzt, was Public Viewing ist: Menschen tragen gemeinsame Kleidung, haben Fahnen dabei, Farbe im Gesicht und freuen sich friedlich, zumindest bei uns, miteinander.

Nur wenn sie lange gefeiert haben, müssen sie wohl ausschlafen und dann ist es am anderen Morgen sehr ruhig. Aber ich kann das gut verstehen: wenn ich mich müde gespielt oder gejagt habe, muß ich, nach all´ der freudigen Aufregung, auch immer lange schlafen. 

Ich wünsche Euch allen einen sonnigen Tag und einen feinen Sonntag.

Eure Reza


P.S. Wenn Ihr auch zum Public Viewing geht und in meiner Nähe wohnt, dann schaut doch einfach mal am Haus hoch. Vielleicht sitze am linken äußeren Fenster und schaue auch zu, beim Public Viewing.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen