Sonntag, 9. November 2014

Der Fall Hinterkaifeck - Teil 3

Als nächstes gehe ich genauer auf die Tatzeit ein, die immer mit dem 31.03./01.04.1922 angegeben wird.Das war leicht zu ermitteln, da der Abreißkalender der Familie mit genau dem Datum 31.03. endete, außerdem war Cäcilie Gabriel, das neunjährige Mädchen, tags darauf nicht in der Schule. Man darf also mit großer Sicherheit davon ausgehen, das der Mord in der besagten Nacht stattfand.

An der Uhrzeit, gegen 22:00 Uhr habe ich allerdings sehr starke Zweifel und halte sie schlichtweg nicht für richtig, auch der Tagesbericht Nr. 23, vom 12.04.22, Polizei-Amt Augsbrug, legt die vermutete Tatzeit zwischen 20:00 Uhr und 23:00 Uhr fest. 
Um meinen Gedankengang mitverfolgen zu können, darf man den Mordfall nicht aus der Sicht des Menschen im Jahr 2013 sehen, sondern muß sich in die Zeit Anfang der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts versetzen. Die technische Entwicklung, vor allem in der ländlichen Gegend, die Gesellschaftsform, das gesellschaftliche Denken und Verhalten, die dörflichen und städtischen Strukturen, die politsche Umwandlung.

Als erstes wäre da der fehlende Obduktionsbefund, so wie er vorgeschrieben ist. Wer gerne genauer lesen möchte, was da eher flüchtig untersucht wurde, kann hier weiterlesen: hinterkaifeck-mord.de - Die Ergebnisse der Obduktion

Sehr bedenklich, oder schlampig, wo und wie die Leichen begutachtet wurden. Sie wurden keinesfalls im gerichtsmedizinischen Institut München gründlich untersucht, sondern die Obduktion fand an Ort und Stelle statt.
Der Landgerichtsarzt Dr. Aumüller kam erst am 6.4.22 mit dem Kanzleiassistenten Ney in Hinterkaifeck an, also nicht zwei Ärzte, wie vom Gesetz vorgeschrieben. Als Seziertisch diente eine ausgehängte, umgedrehte Tür, die auf zwei Holzböcke aufgelegt war. Aber schon bei dieser ungenauen Untersuchung wird klar, dass es zwei Tatwaffen gewesen sein müssen, nämlich die später aufgefundene Kreuzhacke, auch Reuthaue genannt, und der bereits bei der Tatortbegehung im Stall an der Wand lehnende Pickel, der Spuren von Blut trug. Er war ursprünglich im Futtertrog und Schlittenbauer hatte ihn andie Wand gelehnt, wie er Kommisar Reingruber sagte. Geradedieser Pickel, von dem Lorenz Schlittenbauer sagte, dass er ihn dem alten Gruber geliehen hätte, scheint hinterher verschwunden zu sein, jedenfalls wird er nicht mehr erwähnt.
In der Scheune wurde auch ein Bandeisen gefunden, das deutliche Blutspuren trug. Ein solches Bandeisen ist aus Flachstahl gefertigt wurde für Beschläge aller Art verwendet, für Fässer, Türen usw. . Auch diente es zur Fixierung von schweren Gegenständen und wurde auch bei Reparaturen (z.B. von Werkzeug) eingesetzt.Auch dieses Bandeisen findet keinerlei Erwähung mehr.
Beim Abriß des Hofes wurde zusätzlich im Fehlboden des Dachbodens ein Taschenmesser gefunden, auf dem sich Rost oder Blut befand. Das Ergebnis einer Untersuchung ist nicht bekannt und es verbrannte ebenfalls im Augsburger Justizpalast.
Somit sind wir bei vier Mordwaffen angelangt, von der die Polizei wußte! Später versteift man sich aber immer auf die Reuthaue!

Ein Obduktionsbericht scheint überhaupt nicht angefertigt worden zu sein, mit etwa dem Alter der Totenflecke, dem Grad der Leichenfäulnis oder dem Zustand der Insekten, die sich in den Leichen eingenistet hatten oder schlicht und einfach der Größe und dem Gewicht der Ermordeten.
Gut, es ist möglich, dass dieser Bericht bei Brand des Augsburger Justizpalastes beim Bombenangriff 1944 mit all den anderen wichtigen Akten, den Schädeln und der Tatwaffe verbrannt ist (nach dem Krieg fand sich in Schrobenhausen nur noch ein dünner Handakt zu dem Fall).
Viel eher scheint es aber, dass niemals ein korrekter Obduktionsbefund angefertigt wurde, jedenfalls nimmt keiner der zuständigen Staatsanwälte Bezug darauf.

Allerdings wurden, als Beweissicherung, die Köpfe der Ermordeten im gerichtsmedizinischen Institut München abgetrennt und präpariert, d.h. sie wurden wahrscheinlich gekocht, um den Schädel als solches, also im knöchernen Zustand, zu erhalten, um die Verletzungen sichtbar zu machen und die Schädel aufbewahren zu können.
Mit den Schädeln wurde noch eine unerfreuliche Sache unternommen. Sie wurden verpackt, der Strick aus dem Mordhof und die Brieftasche der Opfer war auch dabei, und zwei Hellseherinnen, bzw. Medien vorgelegt, um die Mörder per Hellsicht zu ermitteln. Es kam dabei aber nichts heraus, ganz klar, obwohl gewisse Orte, die beide Damen nannten, dazu gehörten u.a. Schwandorf oder Ebrach, das seinerzeit ein Zuchthaus war, von den Beamten aufgesucht wurden....
Wenn nicht so eine böse Tat, dieser sechsfache Mord dahinter stünde, man möchte zumindest schmunzeln...
Wärend man hier mit sehr fragwürdigen, ja obskuren Praktiken versuchte, die Täter zu ermitteln, machte sich der große Ernst Gennat, der erste Profiler der Welt, nicht nur Gedanken, wie man die Ermittlungsarbeit und die Ermittlungstechniken verbessern könnte, sondern er setzte sich auch um. Er, auch "Der Dicke vom Alex" genannt, ließ sich von Daimler-Benz einen Wagen konstruieren, der sich bei Bedarf in ein komplettes Büro verwandeln ließ, im Volkmund hieß das Auto auch "Mordwagen". Wer genauer nachlesen möchte, denn vieles, was Gennat entwickelte, stellt auch heute noch die Grundlage kriminaltechnischer Untersuchungen dar, kann es hier tun:http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Gennat

Als zweites wären da die Tatortfotos, vor allem die Aufnahmen der Leichen in Scheune und Mägdekammer. Wer sie sehen möchte, kann es hier tun:http://www.hinterkaifeck-mord.de/Die...atortfotos.htm


Ich habe diese Fotos immer wieder betrachtet, ich beschäftige mich schon seit den 90iger jahren mit dem Mordfall, und bei den nachfolgenden Gedankengängen ist es wichtig, wie bereits erwähnt, sich in diese Zeit zu versetzen.
Was mich stutzig gemacht hat, ist die Tatsache, dass die Leichen vollständig bekleidet sind, außer dem Altbauern, der ein altes Hemd und eine lange Unterhose trug (machte er sich zur Nacht fertig?), das kleine Mädchen, Cäcilie, das entweder schon im Bett lag, oder sich gerade für die Nacht fertig gemacht hatte, es trug ein langes Nachthemd. Die Dienstmagd war ebenso vollständig bekleidet wie Victoria Gabriel und Cäcilie Gruber, außerdem hatte sie noch ihre Schnürstiefel (!) an.
Es war damals üblich, schon früh zu Bett zu gehen, da die Arbeit auf einem Bauernhof schwer war, es gab nur wenige technische Hilfsmittel zur Erleichterung der landwirtschaftlichen Arbeit. Kühe mußten gemolken, gefüttert und der Stall ausgemistet , Schweine und Hühner versorgt werden. Frühstück mußte zubereitet, die Kinder zur Schule geschickt werden. Das hieß: bereits um fünf Uhr früh aufstehen und mit der Arbeit beginnen. 
Im Fall Hinterkaifeck waren noch zusätzliche Umauarbeiten geplant, auf dem Foto des Hofes sind im Vordergrund Stahlträger zu sehen. Außerdem war auf dem Hof über Monate hinweg keine Magd oder Knecht eingestellt, was die Arbeitsbelastung noch erhöhte.

Außerdem war da die am späten Nachmittag angekommene Magd, Maria Baumgartner, die mit ihrer Schwester, sie war in Mühlenried bei Schrobenhausen wohnte und einen beschwerlichen Fußmarsch hinter sich hatte, bei dem sich die Schwestern auch noch verlaufen hatten, man beachte auch die schlammigen Wege, Maria hinkte (sie hatte eine Invalidenkarte) und das Wetter schlecht war. Diese Frau wäre, sie mußte in aller Frühe mit der Arbeit beginnen und wäre nach so einer Strapaze totmüde gewesen, um 22:00 Uhr im Bett gewesen. Sie war aber auch noch bekleidet, hatte nur wenig ausgepackt. Sie hätte aber, in der Zeit zwischen dem späten Nachmittag und 22:00 Uhr genügend Zeit gehabt, auszupacken, ihr Bett zu beziehen und sich schlafen zu legen.
Man kann zwar einwenden, dass ihr Andreas Gruber oder Viktoria Gabriel noch den Hof und Arbeit zeigten, aber auf den Feldern war um diese Zeit nichts zu tun, es war schon dunkel oder dämmerig, also beschränkte sich der Hofgang auf den Stall und darauf, was am nächsten Tag noch zu tun sei, also Hausarbeit (allein Wäsche zu waschen nahm damals oft mehr als einen Tag in Anspruch!).

Kaum anzunehmen, dass die Bewohner gegen 22:00 Uhr noch wach waren, denn da war die schon angesprochene schwere Arbeit, die unzureichende Beleuchtung im Haus, der Geiz der Bewohner hätte es nicht erlaubt, Kerzen/Petroleum/Strom zu verschwenden. Es gab zwar Strom auf dem Hof, damit konnte die Dampfdresche betrieben werden, deren Motor in einem Häuschen stand, aber elektrische Beleuchtung ist eher unwahrscheinlich, jedenfalls habe ich nichts darüber gefunden.
Auch kaum vorstellbar, dass die Bewohner, wenn denn Geräusche im Hof zu hören waren, sich nacheinander vollständig anzogen, Frauen sogar mit Strümpfen und Strumpfband, um nach dem Rechten zu sehen. Es war übrigens nicht möglich, der Versuch wurde von den ermittelnden Beamten gemacht, Lärm aus dem Stall im Wohnaus zu hören.
Im übrigen ging man damals mit den Hühnern schlafen und es war normal nach dem Gebetläuten zu Hause.
Es kann gar nicht anders sein: die Tat wurde deutlich vor 22:00 Uhr verübt.

Und noch eine abschließende Frage: wo war der Hofhund der Hinterkaifecker zu diesem Zeitpunkt? Es war ein senffarbener Wolfsspitz, also nicht jene kleinen Spitze, die einmal als Hunde "modern" waren, sondern er gehört einer als Hofhund geschätzten Rasse an. Zeugen beschreiben ihn als scharf, bissig und äußerst wachsam. Er ließ keine Fremden ins Haus, griff einmal eine Magd an und biß sogar die kleine Cäcilie. Alles in allem ein guter Wachhund, der in der Nacht im Haus eingesperrt wurde.
Am Tag der Entdeckung soll er, lt. Monteur Huber, vor dem Haus angekettet gewesen sein und er tat wie rasend. Als der Mord entdeckt wurde, war er allerdings im Stall eingesperrt und verletzt, er hatte ein Schwellung am Kopf und ein Auge war eingetrübt. Als die Polizei ihn einfangen wollte, zitterte er und schnappte nach jeder Hand.
Um sich eine Vorstellung von diesem Hund machen zu können, kann man sich folgendes Foto ansehen: http://commons.wikimedia.org/wiki/Fi...jpg?uselang=de

Auf den Hund werde ich noch in einem gesonderten Beitrag eingehen, da auch er, meines Erachtens nach, ein wichtiger Schlüssel ist.

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