Samstag, 26. Dezember 2015

LeFanu, Sheridan - Der Maler Schalken

Der Autor

Joseph Thomas Sheridan Le Fanu wurde am 18. August 1814 in der irischen Stadt Dublin geboren. Seine Familie war hugenottischen Ursprungs; nicht vornehm, aber immerhin wohlhabend. 
Joseph begann schon in jungen Jahren zu schreiben. Ab 1833 studierte er Jura am Trinity College zu Dublin; er graduierte 1837. Im folgenden Jahr erschien im „Dublin University Magazin“ mit „The Ghost and the Bone-Setter“ Le Fanus erste Kurzgeschichte.
Als Jurist ist Le Fanu nie tätig geworden. Stattdessen wurde er Journalist. Ab 1837 war er Eigentümer oder Miteigentümer mehrerer Zeitschriften. Die damit verbundenen Pflichten schränkten seine schriftstellerische Tätigkeit stark ein. Erst nachdem er 1861 Besitzer und Eigentümer des „Dublin University Magazine“ geworden war, schrieb Le Fanu wieder selbst. Viele seiner Werke erschienen in Fortsetzungen in seiner Zeitschrift.

1843 oder 1844 – der genaue Zeitpunkt ist unklar – heiratete Le Fanu Susanna Bennett. Die Ehe war harmonisch; die Le Fanus bekamen vier Kinder. Als Susanne 1858 starb, fiel Witwer Joseph in eine tiefe Depression, die er nie überwand. Er zog sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück und vergrub sich in seinem Haus am Merrion Square. In Dublin nannte man ihn den "unsichtbaren Prinzen".

Seine Produktivität wurde von diesem Lebensstil nicht beeinflusst. In den Jahren nach 1860 veröffentlichte Le Fanu ein bis zwei Romane pro Jahr sowie diverse Kurzgeschichten und Novellen. Er schrieb Historienromane, Krimis und immer wieder Geistergeschichten. Das Übernatürliche faszinierte ihn; in seiner irischen Heimat wuchs er mit entsprechenden Sagen und Legenden auf. Als Phantast stand Le Fanu auf der Grenze zwischen Glauben und Skepsis. Er erkannte bereits, dass Spuk auch und vor allem das Produkt einer geistigen Störung sein konnte. In vielen Geschichten überließ er die Entscheidung, ob eine Erscheinung real oder eingebildet war, deshalb seinen Lesern.
Trotz seiner Weltflucht war Le Fanu kein weltfremder Mann. Als Journalist wurde er mit den politischen und sozialen Ungerechtigkeiten seiner Zeit konfrontiert.
Le Fanu ließ thematisierte die Gier und die Gleichgültigkeit der Menschen in seinen Kriminalromanen, die zu den frühen Meisterwerkes dieses Genres gehören. Verrat, Verschwörungen und Betrug durchziehen diese Werke, die ihr Verfasser darüber hinaus gern mit unheimlichen Stimmungen färbte.

Le Fanu starb am 7. Februar 1873 in seiner Heimatstadt Dublin an einer Lungenentzündung. Er wurde auf dem Friedhof von Mount Jerome bestattet. 

Die Erzählung

Am Anfang der Erzählung steht ein Gemälde des berühmten Malers Gottfried Schalken, das dem Leser vorgestellt wird. Das Gemälde zeigt das Bildnis einer jungen Frau, das nur von einer Kerze erhellt wird und das Interieur im Hintergrund wirkt dabei eher ungewöhlich. Die Dargestellte ist wohl Rosa Velderkaust, die Nichte des nicht minder berühmten Malers Gerard Dou. Der Erzähler nimmt an, dass besagte Rosa Velderkaust wohl die einzige Liebe im Leben Gottfrieds Schalken war.
Schalken war in seinen jungen Jahren Lehrling, damals galt die Malerei noch als Handwerk, bei dem schon erwähnten Gerard Dou. Dieser hatte ein wunderschönes Mündel, die 17jährige Rosa Velderkaust. Schalken verliebte sich in das Mädchen, offenbarte sich und Rosa erklärte sich ihm auch.
Doch Schalken wagte nicht, bei seinem Meister um die Hand Rosas anzuhalten, da er noch mittellos und unbekannt war, doch er durfte hoffen.
An einem Abend, Schalken war noch im Atelier, vertieft in seine Arbeit, einem frommen Bildentwurf, macht sich ein Mann bemerkbar, dessen Eintritt der junge Mann nicht mitbekommen hat. Der Mann, kostbar gekleidet, stellt sich als Mijnheer Vanderhausen aus Rotterdam vor und teilt mit, dass er Gerard Dou am morgigen Abend in einer wichtigen Sache aufwarten will. Der junge Mann, noch wie erstarrt, kann nicht erkennen, wie der wortkarge Fremde das Haus verläßt, er scheint wie verschluckt.
Am anderen Tag erzählt er seinem Meister davon, der aber eher an einen Scherz eines seiner Malerkollegen glaubt.
Doch als der angekündigte Besucher eintritt, sind sich Dou und Schalken sicher, dass es sich dabei um keinerlei Maskerade handelt. Der Fremde, ein alter, sehr unangenehmer Herr, ist eher wortkarg und händigt Dou ein Kästchen aus, in dem sich mehrere Barren feinsten Goldes befinden, dessen Wert sofort geschätzt werden soll und Schalken wird damit betraut, es zu einem bekannten Juden zu bringen.
Dieser prüft die Barren und stellt darüber ein Dokument aus, dass den Wert der Barren von vielen tausend Reichstalern bestätigt.
Und der alte Herr hält sich nicht lange mit Erklärungen auf: er begehrt Rosa Velderkaust zur Frau, denn er habe sie vor etwa vier Monaten in der Sankt-Laurentius-Kirche in Rotterdam gesehen. Die Barren, von sehr hohem Wert, würden, mitsamt der Mitgift, seiner Zukünftigen auf Lebenszeit gehören. Gerard Dou läßt sich überreden, die Aussichten für seine Nichte sind mehr als glänzend, den Heiratskontrakt zu unterzeichnen und außerdem sollten die Barren treuhänderisch bei ihm bleiben.
Rosa lernt ihren Zukünftigen bei einem Abendessen kennen und nun bekommt man ein bischen mehr von ihm zu Gesicht: seine Haut hat eine bläuliche Tönung, die langen Haare sind grau, seine Lippen beinahe schwarz und sein Gesicht weißt boshaft-lüsternde Züge auf. 
Nachdem der Besucher gegangen ist, läßt Rosa ihrem Ekel freien Lauf, noch mehr, sie ängstigt sich, denn der Besucher erinnert sie an eine alte bemalte Holzfigur, über die sie sich in der St.-Laurentius-Kirche entsetzt hat.
In den nächsten Tagen treffen für Rose kostbare Geschenke ein: Samt, Seide, Geschmeide und für ihren Vormund ein Brief, in dem im Hinblick auf die Versorgung Rosas , noch mehr günstige Verpflichtungen gemacht werden.
Rosa wird wenige Tage später mit allem erdenklichen Pomp von diesem alten Scheusal abgeholt und entgegen aller Übereinkünfte hört Dou nichts mehr von seiner Nichte.
Er stellt Nachforschungen an, doch kein Mensch in Rotterdam hat je von Vanderhausen, der angeblich am Boom-Quai wohnt, gehört. Der Fuhrwerksunternehmer, bei dem die höchst luxuriöse Hochzeitskutsche seinerzeit gemietet wurde, kann auch nicht weiter sagen, als dass er kurz vor Rotterdam angehalten wurde und eine Gruppe kostbar gekleideter Männer die junge Braut in eine geräumige Sänfte umsteigen ließen und in Richtung Rotterdam davongegangen wären. Der Betrag für die Miete der Kutsche sein dreimal so hoch gewesen, wie verlangt.
Dou macht sich schwerste Vorwürfe, denn er ist offensichtlich einem Betrug aufgesessen, kann sich aber den Zweck des Betrugs nicht erklären.
In Folgezeit lädt er Schalken oft zum Abendessen ein, um sich ein wenig zu zerstreuen. Eines Abends erschrecken sie durch ein lautes Getöse an der Haustür. Es wird geöffnet und herein, in Panik, völlig aufgelöst, stürzt Rose in das Haus. Sie ist nur mit einem seltsamen weißen, bodenlangen Hemd bekleidet, das auch sehr schmutzig ist. Sie fällt in Ohnmacht und den Männern gelingt es nur mit Mühe, sie wieder zu Bewußtsein zu bringen. Gierig verlangt sie nach Fleisch und Wein, schlingt alles wie in Heißhunger herunter. Sie bittet um einen Geistlichen, nur der könne sie retten. Rätselhaft sind ihre Worte: " Nimmermehr können die Toten mit den Lebenden ein Fleisch sein, das hat Gott verboten!"
Sie bittet die Männer, bei ihr zu bleiben, denn er sei da, den Namen spricht sie aber nicht aus. Dou fürchtet, dass man seine Nichte mißhandelt hat, argwöhnt, dass sie einem Asyl für Tollhäuser entsprungen sei. Er nimmt sich vor, einen Arzt zu holen, nachdem sich das Mädchen durch die Gegenwart des Geistlichen erholt haben würde.
Doch nun überschlagen sich die Ereignisse: kaum ist der Geistliche da, fällt die Tür zu Roses Schlafzimmer zu, die Kerzen erlöschen, doch Kampfgetümmel ist nicht vernehmbar - nur ein Schrei. Als es den Männern dann gelingt, die Türe zu öffnen, ist das Zimmer leer, nur das Fenster steht weit offen. Nur das Wasser des angrenzenden Kanals zeigt große, auseinandertreibende Wellenringe. 
Von Rosa wird nie wieder eine Spur entdeckt, eben sowenig wie von ihrem mysteriösen Freier. 

Viele Jahre später muß Schalken zur Beerdigung seines Vaters nach Rotterdam reisen. Sein Vater soll in den Gewölben der St.-Laurentius-Kirche beigesetzt werden, doch der Leichenzug ist noch nicht da. Der Küster setzt sich mit ihm ans Feuer und die beiden trinken Wein. Schalken, erschöpft von einer vierzigstündigen, anstrengenden Reise, fällt in tiefen Schlaf. Da rüttelt ihn jemand an der Schulter, doch es ist nicht der Küster, sondern eine Frau in weißer, luftiger Gewandung, deren Gesicht verschleiert ist. Sie führt ihn durch die Grabgewölbe und enthüllt im Schein der Lampe schließlich ihre Gesicht: Rosa Velderkaust! Wie betäubt folgt er ihr weiter, bis in ein altmodisches holländisches Gemach. Dort steht auch ein Himmelbett, dessen schwere Vorhänge Rosa öffnet. Auf dem Bett sitzt eine bläulich-leichenfarbene satanische Gestalt - Mijnheer Vanderhausen!
Schalken verliert die Besinnung und wird erst am anderen Morgen gefunden, als Leute die Grabgewölbe verschließen wollen. Er liegt in einer geräumigen Zelle, neben einem mächtigen Sarkophag, der auf kleinen Säulen ruht.
Bis zu seinem Tod ist Schalken von der Wirklichkeit seines Traumgesichts überzeugt und hat die Begebenheit auf dem eingangs erwähnten Gemälde festgehalten.

Meine Meinung

Obwohl die Geschichte nur den Umfang einer Erzählung hat, gehört sie für mich unbedingt zu den Klassikern.
Sei ist eigentlich nur sehr dünn erzählt und läßt so dem Leser genügend Freiraum für die eigene Phantasie.
Wo endet die Wirklichkeit und wo beginnt die phantastische Welt, das Irreale? Wie ein Riß im Vorhang, wie ein Loch in der Wand, wie ein verstohlener Blick durch´s Schlüsselloch. Manchmal blickt man sich selbst verstohlen um...

Das Buch "Maler Schalken und andere Geistergeschichten" ist noch im Internet erhältlich!

Nebenbei: dieses Bild könnte Le Fanu wohl inspiriert haben, denn es gab tatsächlich einen Maler Schalken:http://www.joseflebovicgallery.com/C...e/146_0011.jpg

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