Da mich auch immer die Opfer interessieren, ein kleiner Exkurs über Viktoria Gabriel, die Bäuerin. Entgegen dem Gerede, dass der alte Gruber der "Tyrann von Hinterkaifeck" war und sich alle vor ihm ducken mußten, sehe Viktoria Gabriel als sehr selbstbewußte Frau, die sich nicht geduckt hat.
a) Ihr gehörte der Hof und zwar schon seit 1914. Ihr Stiefbruder erhielt nur ein kleines sog. Muttergut, das immer in Geldform hinterlegt, bzw. ausbezahlt wurde, worüber dieser bestimmt nicht glücklich war, da es zur dieser Zeit eher üblich war, dass man einem männlichen Nachkommen, hier Stiefbruder, ein Anwesen überschrieb.
b) Die Verhandlungen über den Umbau des Hofes, die Stahlträger dafür waren schon vor Ort, führte sie. Denn sie signalisierte in den Vorverhandlungen einem Unternehmer, dass sie bar bezahlen könnte. Nicht zu vergessen, die 700 Goldmark, also Geld das nicht entwertet werden konnte, im Beichtstuhl. Und das in einer Zeit, in der eine Frau beinahe immer noch unter der Vormundschaft des Mannes, des Bruders oder Vaters stand.
c) Die Wertsachen, die nach dem Mord gefunden wurden, siehe bei Wiki die Inventarliste, wurden ausschließlich in ihrem Schlafzimmer aufbewahrt. Kaum vorstellbar, dass einer der Familienangehörigen dort hingehen durften, um Dinge dort zu holen, z.B. eine Uhr. Sie "saß" darauf, paßte auf, kurz, hatte sie in Verwahrung.
d) Nach der Hochzeit mit Karl Gabriel kam es zu außerordentlichen Streitigkeiten, dass sogar eine Scheidung ins Auge gefaßt wurde. Wie sich eine Frau ducken mußte, selbst wenn sie einen Knecht heiratete, kann man in der Kurzgeschichte "Hölleisengretl" von Oskar Maria Grafhttp://www.robert-hueltner.de/media/...tdokumente.pdf nachlesen. Aber Viktoria war die Herrin auf dem Hinterkaifecker Hof! Dazu paßt auch, daß sie nie mehr heiratete, wozu auch, sie brauchte keinen Herrn über sich und an Bewerbern hat es auch nicht gefehlt.
e) Sie war,lt. verschiedenen Aussagen, ein schöne, wahrscheinlich rotblonde Frau, mit der für damalige Zeit für eine Frau eher ungewöhnlichen Größe von 1,70 m. Da sie mit anpacken konnte, war ihr Körper, heute würde man sagen, trainiert und schlank war sie obendrein.
Die Frau war sich sicher ihrer Ausstrahlung bewußt und unterstrich diese, bei passender Gelegenheit, mit Kleidung und Schmuck. Den Mann, der ihr gefiel, suchte sie sich wohl immer einmal wieder aus, denn sie wird als sexuell freizügig geschildert. Man stelle sich das zu einer Zeit vor, in der man schon durch ein Lächeln, oder wenn man mit einem Mann sprach, der nicht zur Familie gehörte, oder als Heiratskandidat galt, schon in Verruf kommen konnte.
f) Nach der Verurteilung wg. Inzests ( wobei ich mich frage: wenn da schon ständig Inzest getrieben wurde, warum gab es da keine Kinder? Verhütungsmittel gab es so gut wie nicht und abtreibende Kräuter wirken nicht immer zuverlässig) sie mußte eine Gefängnisstrafe antreten. Sie machte sich nicht klein und sonderte sich nicht von der Gemeinschaft ab, indem sie den Kirchenchor verlassen hätte, sondern bleib weiterhin die erste Sängerin und pflegte weiterhin ihre sozialen Kontakte (dass diese für heutige Begriffe als mager gelten, liegt einfach daran, dass die damalige Zeit, gerade auf einem Hof, mit schwerer Arbeit angefüllt war).
g) Nach der Geburt ihres Sohnes, bei dem keinesfalls erwiesen ist, dass er geistig zurückgeblieben war, kapselte sie sich auch nicht ab. Der Kindsvater war ihr auch nicht wirklich wichtig, sonst hätte sie ja LS heiraten können, der sowieso als solcher fungierte, und falls sie Schande gefürchtet hätte, es war ihr Sohn, ihr Erbe.
Alles in allem eine selbstbewußte Frau, schon modern zu nennen, eine Herrin, die alle Sachen selbst in die Hand nahm und sich bestimmt wohl dabei fühlte.
Wer das anders sieht, kann gerne dazu schreiben, sollte seine Meinung aber fundiert begründen.
Dann muß man aber schon berücksichtigen, wie verhält sich der Mensch nach außen.
Und, ganz wichtig, man sollte sich, unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände, in die Person einfühlen.
Ein Profil erstellt sich ja nicht aus irgendwelchen Gerede, sondern aus vielen Einzelteilen. Das entstandene Bild kann dann ganz anders aussehen, als das, daß durch das Gerede der Leute entstanden ist und dann schon eher ungewöhnlich sein kann.
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