Mittwoch, 1. März 2017

Der Fall Hinterkaifeck - Teil 22

Betrachten wir nun das Vermögensverzeichnis.

Zunächst liest sich dieses Verzeichnis eigentlich unspektakulär, beinahe schon langweilig. Es scheint eine Aufzählung von Dingen des täglichen Gebrauchs zu sein, die nicht von besonderer Bedeutung sind.

Doch manche Dinge, die dort aufgezählt sind, machen stutzig.

Unter "Im Schranke" finden sich zunächst fünf Wachsstöcke. Wachsstöcke spielten damals im religiösen Leben eine große Rolle, daher eine kleine Erklärung:
Wachsstöcke sind lange dünne Kerzenstränge, die kunstvoll aufgewickelt und teils mit christlichen Motiven verziert sind. Es gibt/ oder gab früher auch ganz einfache und schmucklose, da sie ja zum Gebrauch bestimmt waren.
Als es noch kein elektrisches Licht gab, hatten die Kirchgänger bei Frühmessen zur dunklen Jahreszeit, so auch Rorate in der Adventszeit, Engelamt in der Weihnachtszeit, sowie Christmette, Maria Lichtmess und Osternacht ihre Wachsstöcke dabei, die sie auf der Kirchenbank anzündeten. Seitdem von den Kirchenbänken unserer Pfarrkirche die braune Farbe abgelaugt wurde und das Naturholz wieder zum Vorschein kam, sieht man auf den Bänken, daß dort in Abständen etwas ovales aufgenagelt war; sicherlich ein Blech zum Schutz des Holzes vor Anbrennen und Wachsverklebung.
Für den häuslichen Gebrauch brannte der Wachsstock vor allem beim samstäglichen Hausrosenkranz, am Allerseelentag und in der Woche danach, wenn man für die Verstorbenen betete.
Doch auch bei der Brautwerbung stellte der Wachsstock ein wichtiges Symbol dar.Je größer die Liebe war, desto prachtvoller war der Wachsstock. Als verheiratete Bäuerin stellte sie dann diese Prachtstücke in den Glasschrank der guten Stube als immerwährendes Zeichen schöner Erinnerungen. 
Prachtstücke wurden nie angezündet, im Gegenteil, man steckte sie sorgfältig zwischen die kunstvoll gelegten Leinwandballen und geflochtenen Flachsdocken des Aussteuerschrankes.
Ein Riesenwachsstock in einem schön geflochtenen Strohkorb war ein eigenes Hochzeitsgeschenk der Mutter und sie ließ ihn während der Trauung ihrer Tochter anzünden.
In der Blütezeit wurden Wachsstöcke zu allen möglichen Anlässen geschenkt: Zur Erinnerung, Hochzeit und Taufe. An Weihnachten waren die Wachsstöcke mit Christkinderln verziert. Außerdem gab es Wallfahrtsandenken in der Form von Wachsstöcken. Auch als "Fleißbillettl" bekam man sie bei besonders guten Leistungen von der Lehrerin geschenkt. All diese Wachsstöcke standen nicht nur als Zierrat in der Wohnung. Nach der Weihe am Lichtmesstag wurde ihnen der besondere Schutz vor Krankheit und Unglück zugesprochen.
Bei schwerer Krankheit, Geburt, Unwetter und bei besonderen Anlässen zündete man in bestimmten Gegenden Bayerns den geweihten Hausstock an. Bei diesem Wachsstock handelte es sich um einen übergroßen Wachsstock, dessen "Seeleninneres" ein Holzkern war. Um diesen Holzkern wurde der Wachsstöckerlstrang mehrlagig gewickelt. Wie der Rosenkranz, war der Wachsstock Zeichen eines religiösen und frommen Lebens, beide wurden den Toten mit ins Grab gegeben.

Bilder zu einfachen Wachsstöcken:
http://upload.wikimedia.org/wikipedi...Wachsstock.jpg
http://www.wachszieherinnung.de/aktu...chsstock05.jpg

Bilder zu teuren Wachsstöcken:
http://museum.bamberg.de/uploads/pic...5_3_gerade.jpg
http://www.infranken.de/storage/scl/...ion=1391093490
http://www.ottmarshausen-hammel.de/m..._0_400-267.JPG

Wie wir sehen, war ein Wachsstock viel mehr als nur eine Lichtquelle. Er war, wie bereits oben erwähnt, ein Symbol des religiösen und frommen Lebens.
Hier liegen gleich fünf davon in einem gewöhnlichen Schrank....


Im gleichen Schrank befand sich eine Pelzstola (!), ebenso fünf Frauenkleider.

In einem weiteren Schrank fanden sich u.a. sieben weitere Frauenkleider, ein seidenes Kopftuch, fünf (!) Gebetbücher, zwei (!) Kruzifixe und zwei Leuchter, die lt. des ersten Buches Peter Leuschners, aus Silber gewesen sein sollen.

In einem weiteren Kasten befanden sich zwölf Frauenkleider und in einem Waschkasten Leibwäsche, also Unterwäsche und vor allem Bettwäsche.
In unserer modernen Zeit kommt der Bettwäsche keine große Bedeutung mehr zu. Sie ist günstig zu erhalten und pflegeleicht.
Ganz anders zu dieser Zeit: es gab, neben der normalen weißen Bettwäsche die Paradebettwäsche. Sie wurde in der Regel für das zweite Kopfkissen genutzt, auch, wenn man keine Tagesdecke besaß, für ein dünnes zweites Oberbett. Sie war weiß, bestickt und mit Spitze verziert und am Abend zur Seite gelegt, weil man natürlich nicht darin schlief, sondern sie nur zum ansehen gedacht war.

Hier einige Beispiele dazu:

http://web73.server154.star-server.i...egories/51.jpg
http://web73.server154.star-server.i...egories/24.JPG
http://web73.server154.star-server.i...gories/216.JPG

Und hier Bilder von Waschkästen:

http://cache1.willhaben.apa.net/mmo/...2001804815.jpg
http://cache1.willhaben.apa.net/mmo/...5975_hoved.jpg
http://cache1.willhaben.apa.net/mmo/...9198_hoved.jpg

Und wie ich schon in einem der vorhergehenden Beiträge schrieb, fand sich in einem alten Schrank auf dem Dachboden, er war mit alten Säcken zugestellt, Papiergeld in nicht unerheblicher Menge....

In meinem nächsten Beitrag werde ich aus all diesen, für eine arme Bauernfamilie aus dem Donaumoos erstaunlichen, Sach- und Geldwerten, die Summe aus all diesen Dingen wurde behördlicherseits auf über 100.000 Mark beziffert, ein interessantes Fazit ziehen.

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